Nebenwirkungsmanagement

Nebenwirkungsmanagement

Nebenwirkungsmanagement

Die Zahl der Menschen, die mit oder nach einer Krebserkrankung leben, nimmt aufgrund unserer alternden Gesellschaft und einer verbesserten Krebsbehandlung stetig zu. Nach abgeschlossener Therapie bleiben jedoch oft Folgen der Erkrankung lange spürbar und beeinflussen Betroffene noch Jahre später, was zu hohem Leidensdruck und Versorgungsbedarf führt. Eine psychoonkologishe Begleitung bietet eine wirksame Unterstützung für Spät- und Langzeitfolgen.

Fieber in der Neutropenie (FN)

Zu den häufigsten auftretenden Chemotherapie-assoziierten unerwünschten Ereignissen zählt die febrile Neutropenie. Bei einer FN im Zusammenhand mit einer Chemotherapie ist eine sofortige Diagnostik durchzuführen und mit einer Antibiotikatherapie mit Breitspektrumantibiotikum zu beginnen. Das Risiko einer FN hängt stark von deren Ausmaß und der Dauer einer Chemotherapie ab. Eine Prophylaxe mit G-CSF (Granulozyten-Kolonie-stimulierende Faktoren) wird aktuell nur bei sehr hohem Risiko für eine FN empfohlen.Die Diagnose der FN wird gestellt wenn die folgenden Kriterein erfüllt sind:

- Neutrophile < 500/µl oder Neutrophile< 1000/µl mit einem vorhersehbarem Abfall <500/µl innerhalb der nächsten Tage.

-Temperatur> 38,3°C, einmal oral gemessen, oder Temperatur>38°C, mit Dauer über mindestestens 1 h oder zweimal innerhalb von 12 h gemessen

Für eine ganze Reihe von pflanzen konnten immunstimulierende Eigenschaften gezeigt werden( Mistel, Thymus-

Therapie, Heilpilze, Enzyme, Probiotika, Selen, Vitamin E. Die Substanzen können eine schwere Immunsuppression durch

Eine CTx jedoch nicht verhindern oder aufheben. Die begleitende Therapie ist weitgehend umstritten.  Eine das Immunsystem stabilisierend Funktion hat auch die regelmäßige Bewegung . Keinesfalls darf aber ein beginnender Infekt bei immunsupprimierten Tumorpatienten lediglich durch Phytotherapeutika behandelt und der rechtzeitige Beginn einer antibiotischen Therapie versäumt werden

Venöse Thromboembolien (VTE)

Bei Krebserkrankungen besteht ein erhöhtes Risiko für VTE. Das höchste Risiko

für VTE besteht bei Patienten mit soliden Tumoren wie Pankreas- und Magenkarzinom sowie Tumore des zentralen Nervensystems. Generell wird für stationäre Krebspatient*innen bei starker Mobilitätseinschränkung eine Prophylaxe mit Heparin empfohlen. Für ambulante Patient*innen unter Chemotherapie ist aktuell nur für diejenigen mit einem hohen VTE- und Blutungsrisiko eine Prophylaxe mit Heparin oder oraler Antikoagulation vorgesehen, soweit keine Kontraindikationen bestehen.

Zytostatika-induziertes Erbrechen (CINV)

Das CINV beeinflusst direkt die Lebensqualität der Patient*innen und die Bereitschaft sowie Fähigkeit zur Fortsetzung einer Krebstherapie. Unterschieden werden akutes (am Tag 1) , verzögertes (Tag 2-5) und antizipiertes Erbrechen (Auftreten ab 2. Zyklus, vor dem jeweiligen Therapiebeginn). Zur Behandlung der CINV werden potente Antiemetika eingesetzt, aber auch Glukokortikoide, Dopaminantagonisten, Neuroleptika und Benzodiazepine. Die Datenlage zum Einsatz von Cannabinoiden und anderen alternativen Therapien, wie auf Ingwer basierenden Nahrungsergänzungsmitteln oder Akupunktur ist für das routinemäßige Management der CINV noch unzureichend. Haferschleim hilft gegen Magenbeschwerden 

Diarrhoe

Bei 50 bis 80% der Patient*innen, die Fluoropyrimidine oder Irinotecan erhalten, kommt es zu einer Tumortherapie-induzierten Diarrhoe. (CRD). Bei schweren Verläufen und gerade bei älteren oder untergewichtigen Patient*innen kann diese lebensbedrohlich sein. Bei leichten Diarrhoen werden unterstützende und diätetische Maßnahmen empfohlen, wenn nötig gefolgt von einer Medikamentengabe. Wenn eine orale Rehydration nicht möglich ist, sollte eine intravenöse Hydration erfolgen.

Bei höhergradigen Diarrhoen ist eine stationäre Behandlung zum Flüssigkeitsersatz und Elektrolytaustausch sowie zur klinischen Stabilisierung indiziert. Das Chemotherapieregime sollte angepasst werden.

Zur Behandlung von Durchfall stehen verschieden Pflanzen zur Verfügung. Hierzu gehören die Blutwurz, Heidelbeere, schwarze Johannisbeere und der Schwarzmohn (Opium).

Getrocknete Heidelbeeren sind ein wirksames Antidiarrhoikum in Form einer konzentrierten wässrigen Abkochung. Auch Heidelbeertee und Heidelbeersaft können verwendet, getrocknete Heidelbeeren auch gekaut werden. Im Gegensatz dazu wirken frische Beeren abführend. Die schwarze Johannisbeere kann ähnlich verwendet werden.

Blutwurz ist eine starke Gerbstoffdroge. Sie wirkt besonders bei akuten und subakuten Durchfallerkrankungen. Zur Verfügung stehen Wurzelbestandteile, eine Tinktur und ein Extrakt. Opium unterliegt als Tinkturlösung dem Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung, die ausschließlich durch den Arzt erfolgen darf. Die Dosierung sollte tropfenweise titriert werden.

Mukositis

Die orale Mukositis tritt vermehrt bei Patient*innen unter Chemo- und Radiotherapie auf. Diese krebsassoziierte Mukositis (CAM) kann den gesamten Magendarmtrakt betreffen. Zur Prävention und Behandlung sollte bereits vor und während der Tumorbehandlung auf den Schutz der Mundschleimhaut durch Mundhygiene und Zahngesundheit geachtet werden.

Während der Krebsbehandlung sollte die Mundschleimhaut der Patient*innen täglich auf Veränderungen untersucht werden. Als vorteilhaft vor einer stark gewebsschädigenden Chemotherapie erwiesen sich verschiedene Formen einer Kryotherapie.

Unterstützend werden Mundspülungen mit Kochsalz- und/oder Natriumbikarbonatlösung empfohlen.

Zur Schmerzlinderung können topische Spülungen, z.B. mit Lidocain und Doxepin, oder Morphin-Spülungen genutzt werden.

Die lokale Behandlung der CAM kann mit Salbei, Kamille, Myrrhe, Propolis oder Honig erfolgen. Das ätherische Öl von Salbei wirkt antibakteriell, fungizid und virostatisch, Seine Gerbstoffe wirken entzündungshemmend. Als wässriger oder alkoholischer Auszug (Salbeitinktur) wird Salbei für Mundspülungen, Pinselungen sowie zum Gurgeln bei Schleimhautentzündungen und Halsschmerzen eingesetzt. Die adstringenten Eigenschaften der Gerbstoffe führen zur Abdichtung der Gefäße und Gewebe, Alkoholische Extrakte haben einen höheren Gehalt an ätherischen Ölen, während bei Salbeitee hauptsächlich die Gerbstoffe zur Wirkung kommen.

Myrrhe enthält ein ätherisches Öl (Eugenol) und Harzsäuren.  Diese wirken antiseptisch, granulationsfördern, antientzündlich und adstringierend.

Propolis und Honig haben antimikrobielle Eigenschaften. Die Wirksamkeit liegt leicht unter der Chlorhexidin. Sanddornfruchtfleischöl kaltgepresst BIO (z.B. Phytomed AG ®️): 20 ml Wasser + 1 ml Öl; bei schwerer Mukositis pur auftragen

Den Mund mit Speiseöl (Olivenöl) ausspülen.

Tumorlyse-Syndrom (TLS)

Durch die plötzliche Zerstörung zahlreicher Tumorzellen kommt es zu vermehrten Freisetzung intrazellulärer Bestandteile ins Blut.

Zu den klinischen Symptomen eines TLS zählen Übelkeit, Erbrechen, Diarrhoe, Anorexie, Lethargie und/oder Hämaturie.

Bei der Vorbeugung und Behandlung des TLS werden das Rasburicase und Allopurinol eingesetzt, wobei beide nicht gelichzeitig verabreicht werden sollten.

Zur Prophylaxe des TLS empfiehlt sich zudem, auf Thiaziddiuretika sowie nierenschädigende Medikamente zu verzichten und auf ausreichend Flüssigkeitszufuhr zu achten. Kommt es trotz vorbeugender Maßnahmen zu einem TLS, ist eine intensive Flüssigkeitszufuhr zu gewährleisten sowie forcierte Harnausscheidung anzustreben.

Febuxostat gilt als Reservemittel, wenn Patienten Allopurinol nicht vertragen und Rasburicase nicht verfügbar ist.

Neuropathie

Sind überwiegend sogenannte sensorische Nervenbahnen, also Nerven, die Erregungen von Sinnesorganen zum Gehirn oder Rückenmark leiten und mittels derer man Reize wahrnimmt, betroffen, können folgende Beschwerden auftreten:

-Gefühlsstörungen, die sich von den Fußsohlen und Fingerspitzen bis zu Knöcheln und Handgelenken ausdehnen können

-Überempfindlichkeit gegenüber kleinsten Berührungen oder Reizen sowie Ameisenlaufen in Fußsohlen oder Fingerspitzen

-Hände und Füße fühlen sich pelzig, taub oder eingeschlafen an.

Krebspatient*innen mit Taubheitsgefühlen an Füßen und Händen können mithilfe von Physiotherapie, Ergotherapie, Elektrotherapie, Low-Level-Lasertherapie oder Bädern behandelt werden.  Besonders wichtig ist ausreichende Bewegung, wobei das Gewebe wird unterschiedlichen Reizen ausgesetzt wird, sodass sich die Nervenfunktion in den Gliedern erholen kann. Das so genannte Funktionstraining, welches Balanceübungen, sensomotorisches Training, Koordinationstraining, Vibrationstraining und auch Feinmotoriktraining umfasst, hat sich Studien zwecks Symptomlinderung positiv hervorgetan.

Eine systemische Schmerztherapie kann bei starken Schmerzen notwendig sein.

Strahlentherapiefolgen

Während einer Strahlentherapie kann es neben der allgemeinen Erschöpfung der Patienten und einer meist nur mäßig ausgeprägten Leukozytopenie vor allem zu akuten Veränderungen im bestrahlten Areal der Haut kommen. Die Patient*innen entwickeln eine Entzündung , die von leichterer Rötung bis hin zu ausgeprägten Hautschäden reichen kann und einem Sonnenbrand vergleichbar ist.

Für naturheilkundliche Therapie bei akuten Hautveränderungen während einer Strahlentherapie liegen für drei Substanzen Studien vor: Calendula officinalis, Aloe vera und Vitamin C.

Die Wirkung von Calendula in Form einer Salbe konnte durch eine Phase-III- Studie positiv belegt werden. Aloe-vera-Gel hat sich im Vergleich mit Placebo als nicht wirksam herausgestellt, obwohl für viele Patient*innen ein subjektiv angenehmes Gefühl entstand.

Eine doppelblind randomisierte prospektive Studie zur topischen Anwendung einer Vitamin-C-Lösung bei Strahlendermatitis ergab keinen positiven Effekt.

Hautpflege bei Strahlentherapie

100 ml Aloe Vera Öl (Bioöl)

  + 50 Tropfen naturreines Sanddornfruchtfleisch Öl

  + 40 Tropfen naturreines ätherisches Niaouli Öl

                          (Melaleuca viridflora)

   +20  Tropfen naturreines ätherisches Lavendel Öl

                           (Lavandula officinalis)

Anwendung: 1 Woche vor der Bestrahlung tragen Sie das Öl zweimal täglich auf das zu bestrahlende Hautareal auf; 1 x täglich nach jeder Bestrahlung, 3 Std. vor der Bestrahlung nicht auftragen.

Klimakterische Beschwerden

Durch eine Chemotherapie und/oder Bestrahlung des Beckens kann bei Frauen die Ovarialfunktion zum Erliegen kommen. Dies kann passager, in vielen Fällen aber auch permanent sein.

Auch unter einer antihormonellen Therapie können entsprechende Beschwerden auftreten, die sich hauptsächlich in Hitzewallungen, trockenen Schleimhäuten und Osteopenie bis zur Osteoporose.

Gegen Hitzewallungen werden Salbeiextrakt als Tropfen oder Tabletten (Sweatosan®️) und Traubensilberkerze (Cimicifuga- Remifemin®️) in Tablettenform empfohlen .

Bei trockenen Schleimhäuten können lokal natürliche Flora enthaltende Ovula, die in die Scheide eingeführt werden, und Vitamin-E-Öl, das z.B. mittels eines Tampons in die Scheide gebracht wird, hilfreich sein.

Eine Aufklärung der Patientin (und ihres Partners) hilft vielen Paaren.

Zur Prävention der Osteoporose sind regelmäßige Bewegung, Vitamin D und Kalzium sinnvoll. Bei bestehenden Knochenmetastasen muss der Kalziumserumspiegel regelmäßig überprüft werden. Eine Studie belegt die Wirksamkeit von Tai Chi (verbessert die Lebensqualität und Selbstbewusstsein bei Patientinnen mit Mammakarzinom.

Den Patientinnen sollte eine regelmäßige Knochendichtemessung empfohlen werden, der rechtszeitige Einsatz von Bisphosphonaten (hemmen den Knochenabbau) ist zu beachten.

Nebenwirkungen durch Immuntherapeutika

Fast bei jeder (hämato-) onkologischen Neoplasie kommen heutzutage Immuntherapeutika standardmäßig fast in jeder Therapielinie/- situation als Monotherapie oder Kombination mit Chemotherapie, Antikörpern oder auch anderen Immuntherapeutika zum Einsatz. Das Auftreten von Immuntherapie-assoziierten Nebenwirkungen ist ein häufiges Phänomen. Zu den häufigsten Nebenwirkung zählen: Kolitis, Hepatitis, Endokrine Störungen, Hautausschläge oder Juckreiz, Nephritis, Pneumonitis, Myokarditis u.a. Je nach Ausprägungsgrad der unerwünschten Nebenwirkung kann die Immuntherapie fortgeführt, pausiert oder ganz abgebrochen werden. Bei einer lebensbedrohlicher immunvermittelter Organschädigung werden hochdosiert Kortikosteroide zur Unterdrückung des Immunsystems eingesetzt. 

Psychosoziale Folgen einer Krebserkrankung

Ungefähr 50% der Krebspatient*innen weisen eine erhöhte psychische Belastung auf. Es wird daher empfohlen, alle Krebspatient*innen nach dem Grad ihrer Belastung zu screenen, um eine angemessen psychoonkologische Behandlung zu ermöglichen. Unterschieden wird zwischen Spät- und Langzeitfolgen. Langzeitfolgen treten schon während der Behandlung auf und überdauern diese zeitlich. Spätfolgen treten zeitverzögert nach dem Abschluss der Behandlung auf.  

Unter den psychosozialen Spät- und Langzeitfolgen werden psychische Belastung, Angst, Depression, Beeinträchtigung der Lebensqualität, posttraumatische Belastungsstörung, Anpassungsstörung, sexuelle Dysfunktion, soziale Veränderung in Partnerschaft und Freundschaft, berufliche Änderungen und eingeschränkte Leistungsfähigkeit sowie finanzielle Problem subsummiert. Zu den somatischen Spät- und Langzeitfolgen neben den oben aufgeführten Nebenwirkungen werden auch Fatigue, Schlafprobleme, kognitive Beeinträchtigungen (Konzentration, Aufmerksamkeit, Gedächtnis, Wortfindung), Einschränkungen der Fertilität, Appetit- und Gewichtsveränderungen gezählt.

Eine der Grunderkrankung begleitende Depression sollte frühzeitig erkannt und behandelt werden, da sich die Symptomatik der Depression auch auf den Therapieverlauf und- erfolg der Krebserkrankung auswirken kann. Da Angst sehr häufig zusammen mit einer depressiven Symptomatik auftreten kann, sollten beide Symptome erfragt und behandelt werden.

Der weit verbreitete und viel gebrauchte Begriff „Lebensqualität“ umfasst sowohl körperliche als auch psychische, soziale funktionelle und spirituelle Aspekte des Wohlbefindens und der Funktionsfähigkeit. Im Rahmen von Langzeitfolgen können alle Teilaspekte der Lebensqualität beeinträchtigt sein. In der Habichtswald-Klinik widmen wir mit unserem multiprofessionellem Team allen diesen Facetten besondere Aufmerksamkeit, um die Lebensqualität unserer Patient*innen nachhaltig zu verbessern.