Patienten mit einer fortgeschrittenen Tumorerkrankung geben in 60-90% der Fälle eine Schmerzsymptomatik an und obwohl mit Erstellung nationaler und internationaler Leitlinien die Schmerztherapie immer mehr Beachtung findet, erfolgt teilweise nach wie vor eine unzureichende Schmerzlinderung bzw. Symptomkontrolle.
Nach der International Association For Study Of Pain (IASP) von 1979 wird Schmerz definiert als ein „unangenehmes Sinnes- und Gefühlserlebnis, das mit aktueller oder potenzieller Gewebsschädigung verknüpft ist oder mit Begriffen einer solchen beschrieben wird“.
Schmerz ist eine sehr individuelle Angelegenheit. Jeder Patient empfindet Schmerz auf seine Weise. Dies hat Margo Mc Caffery in ihrer Definition von 1968 zum Ausdruck gebracht: „Schmerz ist das, was immer ein Patient darunter versteht, und Schmerz ist vorhanden, wann immer ein Patient ihn wahrnimmt“.
Bei Schmerz denkt man in erster Linie an den körperlichen Schmerz. Aber es gibt keinen körperlichen Schmerz ohne eine seelische Empfindung und umgekehrt keinen seelischen Schmerz ohne eine körperliche Reaktion. Nicht zu vergessen der soziale Schmerz durch Isolierung und Desintegrität im familiären und sozialen Umfeld sowie der spirituelle Schmerz, insbesondere in der palliativen Situation durch ein Bewusstwerden der Hoffnungslosigkeit und Endlichkeit. Diese Schmerzursachen hat Cicely Saunders, die Begründerin der modernen Palliativmedizin, zu einem sog. „Total Pain Concept“ zusammengefasst.
Der körperliche Schmerz wird unterschieden in akut und chronisch. Der akute Schmerz dauert bis zu vier Wochen an und ist gekennzeichnet durch eine progrediente Besserung; von einem chronischen Schmerz spricht man ab einer Dauer von 12 Wochen. In der Regel zeigt sich hier eine progrediente Verschlechterung der Symptomatik. Der akute Schmerz hat den Charakter eines Warnsignals, z.B. beim Berühren einer heißen Herdplatte. Dieses Warnsignal geht durch die ständig anhaltenden Schmerzreize beim chronischen Schmerz verloren. Es entwickelt sich ein sog. Schmerzgedächtnis.
Neben der Unterscheidung akuter und chronischer Schmerz grenzt man den Nozizeptor-schmerz von dem neuropathischen Schmerz ab.
Nozizeptor leitet sich ab von dem lateinischen „nocere“ und bedeutet „schaden“. Ein Nozizeptor oder Nozirezeptor, auch als Nozisensor bezeichnet, ist gleich zu setzen mit einer „freien Nervenendigung“. Diese freien Nervenendigungen finden sich in einer Vielzahl in unserer Haut und im Gewebe, mit Ausnahme des Gehirns und der Leber.
Eine Aktivierung der Nozizeptoren kann nach Überschreiten eines Schwellenwertes verursacht werden durch direkte Reize, z.B. mechanischer, chemisch-entzündlicher, thermischer oder elektrischer Art. Die eigentliche Schmerzleitung von einer Nervenzelle zur anderen erfolgt durch chemische Botenstoffe, sog. Mediatoren (Prostagladine, Bradykinine, etc.). In Bruchteilen einer Sekunde wird der Schmerz von den Nozizeptoren über sensible Nervenfasern zum Rückenmark geleitet. Hier erfolgt die Übertragung vom peripheren auf das zentrale Nervensystem und schließlich die Weiterleitung an die Schaltzentrale des Gehirns, den sog. Thalamus, welcher große Teile des Zwischenhirns einnimmt. Im Thalamus werden alle Nervenreize erfasst und an unterschiedliche Hirnareale weitergeleitet. Erst, wenn das Schmerzsignal die Großhirnrinde erreicht hat, werden wir uns des Schmerzes bewusst. Zudem erfolgt nach der Schmerzverarbeitung im Thalamus die Ausschüttung von „Endorphinen“, welche die absteigenden, schmerzhemmenden Nervenbahnen aktivieren.
Der Nozizeptorschmerz wird nochmals untergliedert in einen somatischen Schmerz und einen visceralen Schmerz.
Der somatische Schmerz geht von den Weichteilen, dem Skelettsystem, den Gelenken bzw. der Muskulatur aus. Er ist charakterisiert durch eine bohrende, stechende Schmerzsympto-matik, die genau lokalisiert werden kann. Der viscerale Schmerz, auch als Eingeweide-schmerz bezeichnet, geht von Magen, Darm, Blase oder Harnleiter aus. Der Schmerz-charakter wird als dumpf, drückend, krampfartig beschrieben und kann nicht genau lokalisiert werden.
Im Unterschied zum Nozizeptorschmerz ist der neuropathische Schmerz gekennzeichnet durch eine Schädigung bzw. Dysfunktion des Nervensystems, z.B. nach langjährigem Diabetes mellitus, Post-Zoster-Schmerz, etc. Der neuropathische Schmerz wird als einschießender bzw. stechender Schmerz wahrgenommen, welcher in Ruhe oder nachts zunehmen kann.
Eine Erfassung der Schmerzstärke kann vorgenommen werden mittels einer numerischen Rating-Skala, wobei 0 kein Schmerz und 10 stärkster Schmerz bedeutet. Ferner steht eine visuelle Analog-Skala zur Verfügung.
Bei der Schmerzerfassung, welche neben der Schmerzstärke, den Ort, die Art, den Zeitverlauf und die Häufigkeit sowie Beeinflussbarkeit und Wahrnehmung des Schmerzes berücksichtigt, ist auch die Frage nach Allgemeinsymptomen, wie Übelkeit, Erbrechen, Luftnot, Obstipation etc., bedeutsam.
Im Zusammenhang mit der medikamentösen Therapie hat die WHO (Weltgesundheitsbehörde) 1986 ein Stufenschema zur Empfehlung des Einsatzes von Analgetica herausgegeben. Dieses Stufenschema sieht in Stufe 1 die Anwendung von Nicht-Opioiden, wie z.B. nichtsteroidale antiphlogistische Analgetica (NSAR) und/oder Acetylsalicylsäure (ASS), Metamizol (Novalgin) bzw. Paracetamol vor. In Stufe 2 käme die zusätzliche Behandlung mit mittelstarken Opioiden in Frage, und in Stufe 3 der Einsatz starker Opioide mit einer entsprechenden Begleitmedikation.
Heutzutage wird dieses Stufenschema kritisch beurteilt, da durchaus initial eine Behandlung mit starken Opioiden erforderlich sein kann. Zum anderen finden sog. Durchbruchschmerzen (darunter versteht man starke Schmerzattacken, die bei Patienten auftreten können, obwohl sie auf ihre Beschwerden optimal mit Arzneimitteln eingestellt sind) keine Erwähnung und letztlich stehen in der Stufe 1 dieses Stufenschemas Medikamente zur Verfügung, die zum Teil frei verkäuflich sind, aber gravierende Nebenwirkungen aufweisen können.
Bei der medikamentösen Schmerztherapie ist es wichtig, bestimmte Grundregeln zu beachten, z.B. dass die Medikamente nach dem Stufenschema („by the ladder“) regelmäßig zu vorgeschriebenen Uhrzeiten („by the clock“) und bevorzugt oral („by the mouth“) eingenommen werden. => Vermeiden von Spiegelschwankungen, besonders bei Opioiden wichtig => Sucht.
Wenn eine medikamentöse Behandlung erfolgt, sollte man genauestens über die Wirkungen und Nebenwirkungen des Medikaments informiert sein, ebenso über mögliche Wechselwirkungen mit den Medikamenten, die aufgrund von Begleiterkrankungen eingenommen werden müssen. Häufig wird auch die Frage gestellt, ob man bei der Schmerztherapie ein Kraftfahrzeug führen darf – dies ist in der Regel bei einer stabilen Schmerzeinstellung auch mit Opioiden möglich. In der Einstellungsphase, wo manche Menschen mit Übelkeit oder Schwindel auf die Opioidgabe reagieren, kann das Autofahren gefährlich sein und sollte in dieser Zeit besser anderen überlassen werden.
Viele Nebenwirkungen, die in der Einstellungsphase auftreten, sind bald rückläufig, der Körper toleriert dann das Schmerzmittel gut. Eine Ausnahme macht die Darmträgheit, die bei manchen Menschen unter Schmerzmittelgabe auftritt – hier gibt es keine Gewöhnung, sodass es mitunter notwendig wird, regelmäßig verdauungsfördernde Begleitmedikamente einzunehmen wie z.B. Natriumpicosulfat Tropfen, die sich gut dosieren lassen.
Durch die Kenntnis von Schmerzursache sowie der Wirkungen und Nebenwirkungen opioider bzw. nichtopioider Analgetica besteht heutzutage die Möglichkeit einer effektiven Schmerzbehandlung.
Unterstützend werden in unserem Haus bei der Schmerzbehandlung im Sinne einer Ganzheitsmedizin selbstverständlich Behandlungen aus der Physiotherapie/Krankengymnastik eingesetzt, ebenso werden Entspannungsverfahren oder Übungen zur Körperwahrnehmung neben psychotherapeutischen Einzelgesprächen angeboten. Sozialberatung kann bei sozialer Verstärkung oder Verursachung sinnvoll sein, ebenso für das Management der Schmerztherapie am Heimatwohnort.
Auch eine spirituelle Begleitung von Schmerzpatienten kann von uns empfohlen und im Haus angeboten werden.