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Krebs hat man nicht allein: Auswirkungen auf das familiäre Umfeld

Von emotionalen Herausforderungen bis zur gemeinsamen Bewältigung – entdecken Sie Hilfestellungen und Perspektiven für Familien, die mit dieser schweren Krankheit konfrontiert sind.

Veröffentlicht am 12. Dezember 2023

Krebs Angehörige

Auswirkungen einer Krebserkrankung auf das familiäre Umfeld

Die psychosozialen Folgen einer Krebserkrankung eines Elternteils für minderjährige Kinder wurden bisher nur selten erforscht, obwohl 10 bis 25% aller erwachsenen Krebspatienten Kinder versorgen müssen. Die genauen Daten werden nicht regelmäßig erfasst, aber man schätzt, dass etwa 10% der jährlich 250.000 neu betroffenen Kinder psychische Auffälligkeiten entwickeln, die sich in Aggression, Regression, schulischen Leistungseinbrüchen, Verweigerungshaltung und Somatisierungsstörungen äußern können. Eine bedeutende Studie der Deutschen Krebshilfe von 2009-2012 führte zur Entwicklung eines Manuals für kindzentrierte Familienberatung, das zumindest teilweise in die Praxis der psychoonkologischen Versorgung integriert wurde. Es steht außer Frage, dass eine schwerwiegende Erkrankung wie Krebs das gesamte Familiensystem beeinflusst und den Charakter einer "Wir-Erkrankung" annimmt. Eine Krebserkrankung trägt man in diesem Sinne nicht allein und kann sich auf die Eltern-Kind-Beziehung sowie die Paarbeziehung auswirken.

Die Herausforderung der Familie: Umgang mit Krebs und der Wandel von Rollen und Mustern

Mit der erschütternden Diagnose Krebs wird die gesamte Familie vor eine gewaltige Herausforderung gestellt. Die Unsicherheit darüber, wie sich diese Erkrankung auf die Zukunft auswirken wird, schafft eine Art „Unordnung“, die jedes Familienmitglied zwingt, sich an die neue Realität anzupassen. Kinder von krebskranken Eltern erleben oft eine abrupte Veränderung ihrer gewohnten Muster und sind mit einem Übermaß an Verantwortung konfrontiert. Dies kann bedeuten, dass die Mutter plötzlich nicht mehr in der gewohnten Weise verfügbar ist. Alte Rollenmuster funktionieren nicht mehr, und jedes Familienmitglied hat sein eigenes mentales Kopfkino, in dem unterschiedliche „Filme“ abgespielt werden. In solchen schwierigen Zeiten ist die Stabilität der Eltern, insbesondere des gesunden Elternteils, entscheidend, um den Kindern einen Raum zu bieten, in dem sie Kind sein können. Oft ist es notwendig, zusätzliche Unterstützung, wie das Großelternsystem, zu aktivieren. Kinder neigen dazu, in dieser belastenden familiären Situation besonders angepasst und scheinbar unauffällig zu sein. Sie übernehmen die Rolle des kompetenten Partners, sind jedoch oft überfordert. Dahinter verbirgt sich häufig eine tiefe Not und Angst, die Kinder nicht immer verbal ausdrücken können. Manchmal entwickeln sie sogar irrtümlicherweise die Vorstellung, an der Krankheit des Familienmitglieds schuld zu sein.

Kinder krebskranker Eltern

Kindliche Gedankenwelten: Häufige Fragen von Kindern, wenn Eltern an Krebs erkranken

Bin ich schuld? 

Kann ich das auch bekommen? 

Wie muss ich mich jetzt verhalten? 

Welche Veränderungen treten in meinem Alltag ein, wenn Mama oder Papa im Krankenhaus  ist oder viel Ruhe braucht und schwach ist? 

Wie viel Zeit darf ich jetzt noch mit mir/mit meinen Freunden verbringen, angesichts des  Unglücks in der Familie? 

Kann Mama/Papa daran sterben?

Gemeinsam Wege aus der Sprachlosigkeit finden

Es hat sich als hilfreich erwiesen, gemeinsam mit den Familien Wege zu finden, um die häufige Sprachlosigkeit unter den Familienmitgliedern zu überwinden. Hierbei ist es wichtig, implizite Tabus zu berücksichtigen. Kinder spüren, dass ihre Eltern sie schützen wollen, und halten sich daher oft zurück, Fragen zu stellen. Sie akzeptieren das unausgesprochene Schweigen, um keine zusätzlichen Schmerzen in die Familie zu bringen. In vielen Fällen sind beide Elternteile psychisch belastet, unsicher in ihrer Rolle und fühlen sich den Herausforderungen und Ängsten ihrer Kinder gegenüber hilflos. Die Förderung eines offenen Dialogs hat sich als effektiv erwiesen, um Tabus zu brechen und eine offene Kommunikation über Sorgen und Ängste zu ermöglichen. In einigen Familien kann eine professionelle familientherapeutische Begleitung eine bedeutende Unterstützung bieten.

Starke Kinder, Stabile Familien: Offene Kommunikation und Unterstützung in Zeiten der Krankheit

Kinder, die mit erkrankten Familienmitgliedern konfrontiert sind, sollten ermutigt werden, Fragen zu stellen und altersgerechte Informationen zu erhalten. Zum Beispiel ist es wichtig zu erklären, dass die Erschöpfung der erkrankten Mutter Teil ihres Prozesses ist und nichts mit den Kindern zu tun hat. Gleichzeitig sollte betont werden, dass der gesunde Elternteil, der plötzlich gefordert ist, auch Freiräume zur Erholung benötigt. Die Beseitigung von Schuldgefühlen ist entscheidend, da Krankheit nicht von anderen Menschen verursacht werden kann. Informierte Kinder erleichtern ihren Eltern das Leben, da keine Energie für Geheimhaltung aufgebracht werden muss.

Auf der Paarebene zeigt die Erfahrung, dass die Beziehung im Angesicht schwerwiegender Erkrankungen gestärkt werden kann, vorausgesetzt, die Kommunikation zwischen den Partnern funktioniert. Eine tragfähige Partnerschaft ist ein Schutzfaktor dafür, dass Kinder nicht in die elterliche Dynamik verstrickt werden. Der gesunde Elternteil benötigt ebenfalls Unterstützung, um in akuten Phasen der Erkrankung des Partners in der Verantwortung zu bleiben. Die wichtigste Ressource für Kinder ist die Stabilität der Eltern, besonders des nicht erkrankten Elternteils. Der Einbezug erweiterter Familie und anderer Unterstützer, wie Paten oder Freunde, kann das familiäre Gleichgewicht fördern.

Auf dem Weg zur Selbstregulation

Im Streben nach Selbstregulation liegt die Schlüsselkompetenz zur Problemlösung sowohl im Familiensystem als auch in jedem Einzelnen. Ziel ist nicht nur die Verbesserung der Selbstregulation auf dem alten Funktionsniveau, sondern die Etablierung eines neuen, harmonischeren Miteinanders. Jedes Familienmitglied ist aufgerufen, seine individuellen Stärken zu entdecken und zu einer umfassenderen Selbstwahrnehmung zurückzufinden. Die Bereitschaft zur Veränderung einzelner Verhaltensweisen kann das gesamte Gefüge positiv beeinflussen.

Wege zur Selbstregulation durch verbesserte Selbstfürsorge

  • Entwicklung des Gefühls der Selbstwirksamkeit: Wahrnehmung von Gestaltungsspielräumen.
  • Erkennen eigener Qualitäten und Potenziale: Eine Rückbesinnung auf persönliche Stärken.
  • Achtsamkeit für eigene Bedürfnisse: Auch in schwierigen Zeiten sollen gute Momente erlaubt sein.
  • Kraftquellen identifizieren: Wo schöpfe ich Kraft in herausfordernden Situationen?
  • Achtsamkeit in Bezug auf eigene Grenzen entwickeln: Ein bewusster Umgang mit den eigenen Grenzen fördert die Selbstregulation.

Verein Herzstück Familie e. V.

Seit 2016 hat der Verein Herzstück Familie e.V. mit Sitz in Kassel das Anliegen, Familien mit  einer schwerwiegenden Erkrankung zu begleiten, die eine derartige Situation nicht allein  bewältigen können und professionelle Hilfe benötigen. Die Situation der gesamten Familie  ist dann besonders gefährdet, wenn die Patientenrolle und die Elternrolle zusammenfallen,  der erkrankte Elternteil alleinerziehend ist und minderjährige Kinder zu versorgen sind.  Nähere Informationen zum Verein finden Sie unter: www.herzstueck-familie.de

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