Das Immunsystem ist ein komplexes Netzwerk, bestehend aus verschiedenen Organen, Zelltypen und Botenstoffen. Es verhindert Gewebsschädigung durch Krankheitserreger und vernichtet fehlerhaft gewordene körpereigene Zellen. Der Name leitet sich von Lat. immunis = unberührt, frei, rein ab. Es übt eine ständige Kontrollfunktion aus (Immunsurveillance = Immunüberwachung) und vernichtet dabei auch ständig entstehende Krebszellen in einem frühen Stadium so dass eine Tumorerkrankung verhindert wird.
Verschiedene Zellen übernehmen spezielle Aufgaben. Dabei unterscheidet man:
Für das Immunsystem ist von hoher Bedeutung, körpereigene gesunde von fremden oder kranken Zellen zu unterscheiden. Hierzu dienen Oberflächenmarker auf der Zelloberfläche. Diese sind bei jedem Menschen einzigartig. Bildlich gesehen tragen unsere körpereigenen Zellen einen „Personalausweis“, der dem Immunsystem ermöglicht, die Identität (zu uns gehörend) festzustellen. Zellen mit „gültigem Personalausweis“ werden also toleriert. Das HLA-System = Humanes Leukozyten Antigen-System stellt dabei den „genetischen Fingerabdruck“ dar. Tragen Tumorzellen einen „gültigen Personalausweis“ werden sie vom Immunsystem toleriert. Die Zellen des Immunsystems lernen in ihrem Reifungsprozess diese Unterscheidung. Gelingt dies nicht eindeutig, können Autoimmunerkrankungen (z.B. Rheuma, Thyroiditis, Colitis) entstehen. Da dies lebensbedrohlich sein kann, haben sich im Laufe der Evolution verschiedene Mechanismen entwickelt, die eine Immunantwort bremsen können.
Zu den zellulären Bestandteilen des Immunsystems gehören:
Während die Zellen des unspezifischen Abwehrsystems in kürzester Zeit reagieren, setzt die spezifische Immunantwort bei Erstkontakt oft erst nach Tagen ein. Bei erneutem Erregerkontakt ist diese Reaktion beschleunigt und das Ausbrechen von Erkrankungen kann abgeschwächt oder verhindert werden (Impfprinzip).
Eine Immunreaktion findet - unterstützt durch Botenstoffe - in der folgenden Reihenfolge statt:
Die Reifung des Immunsystems findet in den ersten Lebensmonaten statt. Kurz nach der Geburt kann das Immunsystem Krankheitserreger noch nicht effektiv bekämpfen. Der Säugling ist daher auf die Schutzfunktion mütterlicher Antikörper angewiesen (Nestschutz). Diese werden über die Plazenta (Mutterkuchen) und die Muttermilch zugeführt. Da bei vielen Säugetieren die Antikörper nicht plazenta-gängig sind, müssen sie mit der ersten Muttermilch (Kolostrum) aufgenommen werden, sonst kann das Neugeborene nicht überleben. Diese passive Immunisierung schützt etwa 3 Monate. In den ersten Lebensmonaten bereitet sich das Immunsystem dann auf die Abwehr von Erregern vor. Dies geschieht durch sogenannte negative Selektion. Das heißt, es werden nach dem Zufallsprinzip viele Millionen Abwehrzellen gebildet, von denen jede ein anderes Antigen erkennen kann. Im Anschluss werden solche Zellen eliminiert, die eine Immunreaktion auf körpereigene Strukturen veranlassen würden (Selbsttoleranz). Die T-Zellen reifen in der Thymusdrüse. Die Rückbildung dieser Drüse findet nach der Geschlechtsreife statt und ist mit dem 40-50 LJ. abgeschlossen. Daher steigt im Alter die Anfälligkeit gegenüber Krankheiten und Störungen (Immunoseneszenz). Die Anzahl der Lymphozyten nimmt ab, dafür nimmt die Anzahl der unspez. natürlichen Killerzellen zu.
Man kann sich gut vorstellen, dass ein solch komplexes System mit einem hohen Zellumsatz sehr viel Energie und Nährstoffe verbraucht. Verschiedene Umstände oder Erkrankungen führen daher zu einer Störung des Immunsystems:
Stammzellen garantieren immer wieder den Nachschub von Abwehrzellen. Die immunsuppressive Wirkung einer Chemotherapie zeigt sich entsprechend der Lebensdauer der Zellen erst nach einigen Tagen. Dies bezeichnet man als Nadir (Tiefpunkt des Absinkens der Blutzellen). Eine vermehrte Infektanfälligkeit ist dann gegeben. Manchmal müssen dann wachstumsstimulierende Medikamente eingesetzt werden (z.B. Filgrastim, Neupogen®).
Es gibt sogar einen Zusammenhang zwischen individuellem Immunsystem und der Partnerwahl. Über unseren Geruchssinn kann die genetische Individualität und Verschiedenheit erfasst und bewertet werden.
Besonders virale Infekte können das Gleichgewicht, die Balance des Immunsystems langfristig verändern. „Sickness behavior“ nennt man das oft chronische Gefühl von übermäßiger Erschöpfung, das durch Imbalancen der immunologischen Botenstoffe erklärt wird. So ist es nicht verwunderlich, dass Infektanfälligkeit, chronische Erschöpfung (Fatigue) und unspezifische funktionelle Beschwerden oft gemeinsam auftreten.
Eine zentrale Rolle scheint dabei auch unsere „Darmgesundheit“ zu spielen. Das „Superorgan Darm“ mit seinem gewaltigen Nervensystem und seinem Mikrobiom beeinflusst Immunabwehr und Psyche.
Die Entstehung von Krebs aus veränderten (mutierten) Zellen wird in der Regel durch unsere Immunüberwachung verhindert, sofern diese Zellen für unsere Abwehr erkennbar sind. Tragen Sie jedoch den o.g. „Personalausweis“, sind sie damit getarnt (immune escape). Durch Selektion können sich solche getarnten Tumorzellen weiter vermehren. Je weiter sich Krebszellen entwickeln, desto klarer unterscheiden sie sich dann aber auch von gesunden Zellen, sodass das Immunsystem wieder Angriffspunkte finden kann. Krebszellen sind jedoch in der Lage sich immer wieder anzupassen, da sie sich schnell vermehren, und können sich so den Angriffen des Immunsystems entziehen. Sie können beispielsweise Botenstoffe bilden, die die Aktivität des Immunsystems herabmindern.
Die meisten Tumorpatienten verfügen über ein intaktes und reagibles Immunsystem. Ziel der aktuellen wissenschaftlichen Forschung ist daher das „Kenntlich machen“ von Tumorzellen, das bedeutet, für das Immunsystem Angriffsmöglichkeiten zu schaffen. Antikörper sind bei verschiedenen Erkrankungen schon seit einigen Jahren erfolgreich im Einsatz. Auch „Tumorimpfungen“ sind in Entwicklung und bereits bei einigen Tumorerkrankungen in klinischer Anwendung.
Immunanregende naturheilkundliche Therapien (z. B. Misteltherapie) können zum Einsatz kommen, wenn eine Immuninsuffizienz vorliegt. Eine Blutuntersuchung kann darüber Aufschluss geben. Allergieentwicklung oder Überstimulation muss unbedingt vermieden werden. Hämato-onkologische Systemerkrankungen wie Leukämien, Plasmozytom oder Lymphome sollen nicht mit unspezifischen immunstimulierenden Medikamenten behandelt werden, da dies auch zur Wachstumsförderung erkrankter Zellen führen kann. Auch beim Melanom und Nierenzellkarzinom muss dies beachtet werden.
Ausgewogene Ernährung, körperliches Konditions- und Muskelkrafttraining sowie Stressreduktion und Entspannung optimieren unsere Körperfunktionen und damit das Immunsystem.
Sport und Bewegungstraining, besonders muskelaufbauendes Training schaffen ebenfalls Voraussetzungen, ein Gleichgewicht zu erlangen.
Ernährung ist natürlich auch für dieses große Organsystem mit seinem hohen Zellumsatz von elementarer Bedeutung und steht daher im Fokus einer
„Immunaktivierung“ und „Immunverbesserung“. Spezielle diätetische Konzepte sowie auch Fastenprogramme bestehen in der Habichtswald-Klinik daher für besondere Indikationen.
Die Psychoneuroimmunologie ist eine Wissenschaft, die sich noch im Stadium der Grundlagenforschung befindet. Sie beschäftigt sich mit den Wechselwirkungen von Psyche, Nervensystem, Hormonsystem und Immunsystem. Es ließ sich nachweisen, dass Optimismus, verbessertes Selbstwertgefühl und intakte soziale Bindungen einen messbaren positiven Einfluss auf die Zellen und Botenstoffe des Immunsystems haben. Andererseits führt länger bestehende Depression zu einer Vermehrung von Immununterdrückenden Zellen (T-Supressorzellen) und zu einer Verminderung von natürlichen Killerzellen. Diese Zellveränderung ließ sich durch Einnahme von Antidepressiva wieder verbessern. Positive Gefühle oder Lachen schaden nachweislich einer Erkrankung. Schon das Betrachten eines lustigen Films oder Singen bewirkt einen Anstieg verschiedener Immunzellen.
Psychotherapeutische Unterstützung, Entspannungsverfahren und auch ein spirituelles Angebot mit verschiedenen Meditationen gehören somit zu unserem Behandlungskonzept.