Vitamine (lat. vita für Leben und amin für stickstoffhaltig) sind organische Stoffe, die der menschliche Organismus für lebenswichtige Funktionen benötigt. Sie sind daher essenziell, das heißt, unser Stoffwechsel kann sie nicht selbst herstellen. Diese organischen Verbindungen kommen in der unbelebten Natur nicht vor. Sie müssen also erst gebildet werden. Dies geschieht durch Bakterien, Pflanzen oder Tiere.
Vitamine sind an viele Reaktionen des Stoffwechsels beteiligt. Sie regulieren Verdauungsprozesse und die Verwertung von Nährstoffen, sie spielen eine wesentliche Rolle beim Zellaufbau und stärken das Immunsystem.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts erkannte man, dass bestimmte Krankheiten Folge von Vitaminmangelerscheinungen (z.B. Rachitis, Beriberi, Skorbut) sind. Man konnte die Krankheiten durch gezielte Nahrungszufuhr behandeln. 1913 wurden die Vitamine durch den amerikanischen Biochemiker Elmer McCollum mit großen Buchstaben (A, B, usw.) bezeichnet.
Der Wissenschaft sind 20 Vitamine bekannt. 13 gelten dabei als essenziell. Eine Ausnahme stellt das Vitamin D dar. Es wird den Hormonen zugeordnet und selbst vom Körper mithilfe von Sonnenstrahlung (UV-B) hergestellt. Auch ein Stoff der B-Gruppe (Niacin) kann selbst gebildet werden.
Wir unterscheiden Vitamine, die gespeichert werden können (fettlöslich) und Vitamine, die wir laufend zuführen müssen (wasserlöslich). Einige Vitamine werden als „Vorstufen“ aufgenommen und schließlich in die wirksame Form umgewandelt.
Im Rahmen einer ausgewogenen vollwertigen Ernährung und normaler Funktion des Verdauungsapparates kann es in der Regel zu keinem Vitaminmangel kommen. Eine Ausnahme gilt für Vitamin D, hier decken wir über die Nahrung nur ca. 10 - 20 % des Bedarfs ab. Bei vegetarischer oder veganer Ernährung ist auf die B12 Zufuhr zu achten, da in der pflanzlichen Nahrung zum Teil für Menschen unverwertbare B12-Analoga vorhanden sind. Eine intakte Darmflora ist ebenfalls notwendig, da die dort ansässigen Bakterien Vitamin K bilden.
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) definiert den durchschnittlichen Tagesbedarf, der individuell aber sehr unterschiedlich sein kann (z.B. Schwangerschaft, Kindheit und Jugend, schwere Krankheit, Stress, Umweltbedingungen, Rauchen und Alkoholkonsum). Zubereitung und Lagerung von Lebensmitteln beeinflussen deren Vitamingehalt.
Eine Vitaminüberversorgung (Hypervitaminose) kann vorkommen, wenn man hoch dosierte Vitaminpräparate zuführt. Dies betrifft vor allen Dingen die fettlöslichen Vitamine (EDKA). Sie werden gespeichert und können zellschädigend sein. Aber auch hohe Dosen von Vitamin B6 können zu einer sensorischen Polyneuropathie (Nervenschädigung) führen.
Eine nahrunsergänzende Vitaminzufuhr ist nur dann sinnvoll und notwendig, wenn ein Mangel nachweisbar ist (z.B. Blutuntersuchung), der durch eine angepasste Ernährung nicht zu decken ist. Bei onkologischen Patienten kann eine Vielzahl von Gründen, eine gezielte Nahrungsergänzung erforderlich machen. Erhöhter Bedarf durch Stress, Operation, Chemo- oder Strahlentherapie, anatomische Veränderungen im Verdauungstrakt, Appetitstörungen spielen dabei eine Rolle. Eine „pauschale“ Zufuhr durch Kombinationspräparate ist nicht sinnvoll.
Die Pharmaindustrie suggeriert mit vielen entsprechenden Werbebroschüren, dass Vitamingaben „gesundheitsstärkend“ und vorbeugend gegen eine Vielzahl an Erkrankungen sind. In Apotheken und Drogerien begegnen uns Pillenschachteln und Brauseröhrchen mit den schönsten Versprechungen. Viele Menschen hoffen, Erkältungskrankheiten vorbeugen zu können. Wer kann sich da entziehen? Ca. ein Drittel der Bevölkerung konsumiert Nahrungsergänzungsstoffe. Bei onkologischen Patienten sind es fast zwei Drittel. Der Umsatz der Industrie ist enorm. Von teuren Infusionen über konzentrierte Vitamincocktails bis zu Billigpräparaten der Discounter ist alles zu haben. Hinter so manchen „Gesellschaften“ für Informationen zu Ernährung und Vitalstoffen stecken große Konzerne mit erheblichen Umsätzen.
Selbst wer auf solche Präparate verzichtet, wird diese als „Zusatz“ von Lebensmitteln unfreiwillig konsumieren. Die Industrie kann mittlerweile jedes Vitamin im Labor billig industriell „nachbauen“. Zum Teil geschieht dies mit gentechnisch veränderten Mikroorganismen. Beispielsweise werden dem Tierfutter große Mengen an Vitaminen und Mineralstoffen beigefügt. Sie finden ebenfalls Verwendung als Farb- und Konservierungsstoffe. Süßigkeiten mutieren durch Vitaminzusatz zu „wertvollen und gesunden“ Nahrungsmitteln.
So schreitet die „Vitaminisierung“ der Gesellschaft unaufhaltsam voran. Mittlerweile belegen jedoch zunehmend Studien, dass diese zusätzliche Vitaminzufuhr nicht nur unnütz, sondern auch schädlich ist. Eine große finnische Studie sollte belegen, dass Raucher von einer Vitaminzufuhr, da sie auch häufiger Mangelzustände aufweisen, in der Krankheitsprävention profitieren. 29133 Männer wurden untersucht (ATBC-Studie in Finnland) und man stellte unerwartet und überraschenderweise fest, dass die Sterblichkeit bei den Vitaminkonsumenten um 8 % erhöht war, Fälle von Lungenkrebs stiegen auf 18 %. Die Studie wurde in den USA wiederholt (CARET-Studie) und schließlich aufgrund der alarmierenden Zahlen abgebrochen. Bei Prostatakrebst (SELECT-Studie) zeigte sich ein signifikant erhöhtes Krankheitsrisiko (17 %) durch Vitamin E Einnahme. 2008 veröffentlichten unabhängige Medizinwissenschaftfler ein Gutachten (Cochrane-Collaboration) für das sie 67 Studien auswerteten. Das Ergebnis: Vitaminsupplemente (Vitamin A und E) erhöhen die Sterblichkeit. Kein Effekt zeigte sich für Selen und Vitamin C.
Laborwerte und Tages-Aufnahmemengen-Empfehlungen der Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) sind im Alltag nur wenig brauchbar und praktikabel. Vielmehr ist es wesentlich, Grundlagen einer ausgewogenen Ernährung zu kennen und dabei zu erfassen, welche Nahrungsmittel uns mit diesen essenziellen Vitaminen, Mineralien und Spurenelement und auch sekundären Pflanzenfarbstoffen versorgen. Die Empfehlung 5 Portionen Obst und Gemüse pro Tag, möglichst bunt und saisonal ausgewählt, ist empfehlenswert und hat noch niemandem geschadet. Kenntnisse in der Zubereitung und Lagerung von Lebensmittel ermöglichen, leckere, gehaltvolle Mahlzeiten möglichst frisch zuzubereiten. Von Fertigprodukten mit unübersichtlichen Zusätzen ist eher abzuraten.
Gerade für an Krebs erkrankte Menschen stellen die vielen Ratgeber zu Vitaminsupplementierung oder auch diverse Ernährungs- und Diätvorschläge ein sehr großes Problem dar. Es besteht häufig eine Hilflosigkeit, sich zu orientieren. In dem Wunsch, nach einer Erkrankung „das Richtige zu tun“, kann nicht mehr rational entschieden werden, ob es sich um seriöse Empfehlungen handelt. Viele neue wissenschaftliche Erkenntnisse haben in jüngerer Zeit dazu beigetragen, dass wir im Wissen um die Entstehung von Krebs und in der Behandlung einen großen Fortschritt erzielt haben (siehe „Entstehung von Krebs“). Ziel ist eine individualisierte (personalisierte) Medizin, die der Erkrankung gerecht wird und eine optimale Behandlung ermöglicht. Viele Diätvorschläge oder Ratgeber zur Nahrungsergänzung sind nicht mehr zeitgemäß. Manche haben ihren Ursprung im letzten Jahrhundert und beziehen die modernen Erkenntnisse der Tumorbiologie nicht mit ein.
In der Habichtswald-Klinik steht in der Frage einer sinnvollen Nahrungsergänzung zunächst eine detaillierte Analyse des Ernährungszustandes und Erfassung von Unverträglichkeiten oder Allergien im Vordergrund. Unsere Ökotrophologinnen beraten individuell. Vorträge ergänzen die Informationen und im Rahmen von Kochkursen, kann man erlerntes praktisch und mit Spaß umsetzen. Die Ernährung muss stoffwechseladaptiert sein, d.h. sehr viele Faktoren bestimmen die Nahrungsmittelauswahl. Die Entstehung von Krebs vollzieht sich in der Regel über viele Jahre. Dies muss bei der Prävention Berücksichtigung finden, das heißt, es muss ein individuelles, praktikables Konzept gefunden werden, dass auch nachhaltig längerfristig umzusetzen ist. Ernährungspsychologische Ansätze sind ebenfalls von Bedeutung. Eine „Anti-Krebs-Diät“ gibt es nicht.
Ursache von Krebserkrankung ist nicht ein Mangel an Vitaminen. Jedoch muss man davon ausgehen, dass Defizite das Krankheitsrisiko allgemein erhöhen und damit die körpereigenen „Abwehrmechanismen“ bei der Auseinandersetzung mit Krebszellen im Organismus schwächen. Zeigt sich ein Defizit, besteht Handlungsbedarf. Gelingt es nicht über Nahrungsmittel eine gute Zufuhr zu erzielen, müssen gezielt Nahrungsergänzungsstoffe verabreicht werden. Gründe können sein:
Die Substitution von Vitaminen muss also individuell entschieden werden. In der Regel sind Einzelstoffe günstiger, als Kombinationspräparate, da sich einige Stoffe in der Resorption behindern (z.B. gleichzeitige Gabe von Selen und Vitamin C). Wenn möglich, sollte im Rahmen einer Blutuntersuchung der Mangel belegt sein. Eine Verlaufskontrolle ist zu empfehlen. Die Supplementierung ist immer im Kontext der weiteren laufenden Therapien zu betrachten, um Wechselwirkungen auszuschließen. Gerade während einer Chemotherapie sind Interaktionen, die die Wirksamkeit der Therapie abschwächen, sehr ungünstig.
Hohe Vitamindosen sind zum Teil selbst krebsfördernd (Vitamin A, E). Hohe Dosen von Vitamin B12, das häufig zur Verbesserung der Leistungsfähigkeit beworben wird (Vitasprint®, Medivitan®) sind zellwachstumsanregend, was bei einer onkologischen Erkrankung problematisch ist. Auch Krebszellen profitieren von so einer Behandlung.
Vitamin C (Ascorbinsäure) wird als „Antikrebsmittel“ beworben. Schädlich scheint es nicht zu sein. Als wasserlösliches Medikament wird ein Überschuss durch die Niere ausgeschieden. Linus Pauling nahm bis zu 18 Gramm (das Vierhundertfache der empfohlenen Tagesdosis) ein. Er vertrug dies ohne Probleme, verstarb im Alter von 93 Jahren an Prostata-Ca. Sehr umstritten ist, ob eine intravenöse hoch dosierte Vitamin C Therapie vorteilhaft ist. Im Tierversuch bei Mäusen zeigte sich eine Förderung des Tumorwachstums bei gleichzeitiger Chemotherapie.
Häufig stellen wir ein Vitamin-D-Mangel fest. Dies hat viele Gründe und man weiß heute, dass ein Vitamin-D-Mangel mit vielen Erkrankungen, auch onkologischen Erkrankungen korreliert. Ein ausgewogener Vitamin-D-Haushalt (40-60 ng / ml), so konnten Studien zeigen, dass dies sich auf die primäre und sekundäre Krankheitsprävention positiv auswirkt. Wir rechnen streng genommen das Vitamin D nicht mehr den Vitaminen, sondern den genregulatorischen Hormonen zu. Der Bedarf kann nicht durch Nahrungsmittel gedeckt sein, eine gute Eigensynthese mithilfe des Sonnenlichts ist also unerlässlich (siehe „Vitamin D“).
Greifen Sie nicht unkritisch zu Nahrungsergänzungsstoffen, auch wenn Werbung und Ratgeber dazu verleiten. Lassen Sie sich seriös und individuell beraten. Sollte eine Substitution erforderlich sein, nehmen sie hochwertige Präparate und lassen sie prüfen, ob die optimierte Versorgung auch zu einer nachweisbaren Verbesserung führt.
Essen Sie bunt und frisch, 5 Portionen Obst und Gemüse pro Tag, investieren Sie in qualitativ gute Nahrungsmittel. Essen Sie mit Freude und genießen guten Geschmack. Gesundes Essen trägt zur Lebensfreude und Wohlbefinden bei und stärkt somit unsere Widerstandskräfte.