Polyneuropathie

Polyneuropathie

Polyneuropathie: Symptome, Diagnose und Behandlung

Viele onkologische Therapien können Nerven-Schädigungen verursachen – meist an den peripheren Nerven, welche Arme, Beine und Rumpf versorgen. Man spricht auch von einer Chemotherapie-induzierten Polyneuropathie. Diese bildet sich oft nur zögerlich oder gelegentlich auch gar nicht zurück, was zu Schmerzen und alltagsrelevanten Einschränkungen führen kann. 

Besonders häufig tritt diese Nebenwirkung auf nach Gabe von Chemotherapeutika wie Taxanen (z.B. Docetaxel oder Paclitaxel) und Platinderivaten (wie Cisplatin, Carboplatin,  Oxaliplatin) – hier oft erst nach Wochen, sowie Vincaalkaloiden (wie Vincristin, Vinblastin,  Vinorelbin). Oft ist auch das autonome Nervensystem mit betroffen, welches die Funktion der inneren Organe beeinflusst. Aber auch neuere Substanzen wie Tyrosinkinasehemmer (z.B.  Imatinib, Sorafenib, Sunitimib) und Medikamente zur Behandlung von Plasmozytomen (wie  Bortezomid, Thalidomid und Lenalidomid) können Nervenschäden verursachen. 

Etwa 5% der Patienten mit einer Monotherapie (also mit einer Substanz behandelt) und knapp 40% derjenigen mit Kombinationstherapie (mehrere Substanzen gleichzeitig oder hintereinander) müssen mit einer Polyneuropathie rechnen. Liegen Begleiterkrankungen wie Zuckerkrankheit, Nierenversagen oder ein höheres Lebensalter vor, betrifft die Polyneuropathie in unterschiedlichem Ausmaß bis zu 50% der Patienten.  

In der Regel treten beidseitige Störungen der Empfindung (sensible Ausfälle) oder auch der Bewegung (motorisch) auf - besonders an den rumpffernen Regionen (wie Füße und Hände). Diese können sich im Verlauf zum Rumpf hin ausdehnen. Die Betroffenen klagen über ein gestörtes Kalt/Warm-Empfinden, Brennen, vermehrte Schmerzempfindlichkeit oder auch über Gefühllosigkeit z.B. der Zehen, des Vorfußes oder der Fußsohle. Hierdurch kann die Standsicherheit eingeschränkt sein, man geht wie „auf Wolken“, weil der Untergrund nicht gespürt wird. Schmerzen werden oft als einschießend, brennend geschildert. Durch Beeinträchtigung des autonomen Nervensystems kann es zu Hautveränderungen, Blasen-, Mastdarm- oder Erektionsstörungen und verminderter Darmmotilität kommen.

Ihre Behandlung in der onkologischen Abteilung der Habichtswald Reha-Klinik

Bei Verabreichung von Chemotherapien setzen wir begleitend Wirkstoffe ein, die eine Polyneuropathie abmildern, z.B. bei Taxanen wie Docetaxel scheint eine Kühlung von Füßen und Händen während der Medikamentengabe vorbeugend wirksam zu sein.

Je nach Beschwerdebild werden Medikamente zur Schmerztherapie notwendig sein, diese können auch lokal verabreicht wirksam sein.

Wir verfolgen einen intensiven multimodalen Therapieansatz, dessen gemeinsames Grundprinzip heißt:

  • betroffene Hände und Füße möglichst viel bewegen
  • regelmäßige, unterschiedliche taktile Reize setzen
  • Patientenschulung, Anleitung für die Zeit nach der Rehabilitation

Elektrotherapie führt zu gesteigerter Erregbarkeit der betroffenen Nerven durch zelluläre Elektrolytverschiebung. Eingesetzt werden TENS, Reizstromtherapie und eine speziell entwickelte Form der Iontophorese.

Physiotherapie zur Behandlung von Koordinationsproblemen, Verbesserung der Stand- und Gangsicherheit, Erlernen von Übungen für zu Hause. Falls notwendig erfolgt eine Verordnung von Hilfsmitteln (Gehstock o.ä.)

Im Rahmen der Ergotherapie werden mechanische Reize gesetzt durch Kontakt mit unterschiedlichsten Materialien, Kennenlernen von Hilfsmitteln (wie Bürsten, Igelbälle, Fußrollen) – auch um die erlernten Übung zu Hause fortzusetzen. Falls erforderlich werden spezielle Hilfsmittel (Spezialgriffe von Schreibgerät, Besteck) verordnet. Es wird bei Bedarf ein Training der Fein- und Grobmotorik sowie Schreibtraining angeboten.

Die Pflege sorgt für eine Verbesserung der Hautelastizität und Regeneration durch Hautpflege (Ölmischung mit Tonika zur Schmerzlinderung). Es erfolgt eine Schulung und Anleitung zur regelmäßigen Kontrolle auf Verletzungen und Druckstellen (wichtig bei mangelndem Schmerzempfinden).

Alle diese Maßnahmen können während eines stationären Aufenthaltes mit höherer Frequenz, konzentriert und koordiniert durchgeführt werden und führen so zu schnellerer und nachhaltiger Besserung.

Für die Betroffenen ist wichtig, dass eine sozialmedizinische Beurteilung von länger als 6 Monate bestehender Funktionseinschränkung mit Auswirkung auf die Teilhabe am Sozialleben und Berufstätigkeit berücksichtigt wird. Im konkreten Fall kann dies funktionelle Einschränkungen beim Schreiben, bei Computerarbeiten, bei feinmotorischen Fähigkeiten wie Geldzählen, Umblättern, Knöpfe auf- und zuknöpfen betreffen, aber auch Arbeiten auf Leitern und Gerüsten, das Führen von Fahrzeugen und Steuern von Maschinen u.ä.

Zu dieser Problematik bietet unser Sozialdienst Beratung an über stufenweise Wiedereingliederung ins Berufsleben an, Schritte zur leidensgerechten Umgestaltung des Arbeitsplatzes können eingeleitet werden bis hin zu Beantragung von Qualifizierungsmaßnahmen oder Umschulungen. Es können Hilfen für die Alltagsgestaltung besprochen und Kontakte zu entsprechenden Angeboten am Heimatort aufgenommen werden.