Das Lymphsystem ist für den gezielten Transport von Gewebsflüssigkeit verantwortlich. Unser Blut fließt von den Schlagadern (Arterien) über die feinen Blutgefäße (Kapillaren) zu den Venen, die es zum Herzen zurücktransportieren. Beim Blutfluss durch die Kapillaren wird Flüssigkeit aus dem Blut in das Gewebe abgegeben. Über feine Lymphgefäße wird diese Flüssigkeit gesammelt und über größere Lymphgefäße wieder abgeleitet und dem Herzen zugeführt. Die größeren Lymphgefäße münden letztlich über den Hauptlymphstamm (Ductus thoracicus = Milchbrustgang) im großen Venensystem. Die Mündungsstelle liegt im Bereich der linken Schlüsselbeinvene. Die Bahn der Lymphgefäße wird von annähernd 100 linsen- bis bohnengroßen Organen unterbrochen, den Lymphknoten. Sie stellen sozusagen die Filterstationen dar. Man kann sie auch in ihrer Funktion mit Kläranlagen vergleichen. Sie haben die Aufgabe, die durchströmende Lymphe zu reinigen. Sie filtern Mikroorganismen und giftige Stoffe aus der Lymphe heraus und vernichten sie. Gleichzeitig sind sie die Bildungsstätten der sogenannten Lymphozyten: Zellen, welche im Mechanismus der Immunabwehr von wichtiger Bedeutung sind.
Werden Lymphbahnen oder Lymphknoten geschädigt, kann es zu einer Abflussstörung der Lymphflüssigkeit aus dem entsprechenden Körpergebiet kommen.
Wir unterscheiden primäres Lymphödem (angeborene Fehlbildung) und sekundäres Lymphödem aufgrund von äußerer Einwirkung.
Schädigungsmöglichkeiten können sein:
Das Lymphgefäßsystem ist weit verzweigt, sodass es nur bei einer Zerstörung mehrerer Lymphbahnen oder Schädigung bzw. Entfernung zahlreicher Lymphknoten zu einer Lymphabflussstörung kommt.
Besonders bedeutsam sind Lymphabflussstörungen, die bei Patientinnen nach Brustkrebsoperation entstehen, wenn die Achselhöhlenlymphknoten operiert oder bestrahlt werden mussten. Im Bereich der Brustwand und des Armes kann sich dann ein Lymphödem entwickeln. Bessere Operationstechniken haben dazu geführt, die Ödembildung weitestgehend zu vermeiden (Entfernung nur bestimmter Lymphknoten, Wächterlymphknoten).
Auch Unterleibsoperationen mit ausgedehnter Lymphknotenentfernung können zum Lymphstau der Beine führen.
Das Ausmaß des Lymphödems ist von Patient zu Patient sehr unterschiedlich. Es kann sich unmittelbar nach der primären Therapie entwickeln, aber auch noch nach Monaten entstehen.
Es werden folgende Stadien unterschieden:
Gestörte, aber noch kompensierte Lymphabflussverhältnisse, die durch exogene Faktoren (Insektenstich, Prellung, Distorsion im Sprunggelenk) zum manifesten Lymphödem werden. Komplette Rückbildung bei entsprechender Lagerung.
Abendliche Schwellung und Schweregefühl der betroffenen Extremität, Rückbildung über Nacht.
Deutlich verhärtete Konsistenz des fleischfarbenen Ödems, das alle Symptome des Lymphödems aufweist.
Durch die Schwellung des betroffenen Körperteiles selbst entsteht ein Spannungsgefühl, das bei starker Ausprägung sehr schmerzhaft werden kann. Zunehmend kann es auch zu einer Bewegungseinschränkung kommen. Viele Handgriffe des Alltags wie z. B. Zähneputzen oder Anziehen sind dann häufig erschwert. Außerdem kann das Gehen stark behindert sein. Selbstverständliche Tätigkeiten wie Einkaufen oder Auto fahren können dann zu einem Problem werden. In den meisten Fällen ist das Lebensgefühl der Patienten stark beeinträchtigt und die Patienten fühlen sich unsicher. Je nach Beeinträchtigung kann es unter Umständen bis hin zur sozialen Isolation kommen.
Folgeerscheinungen können sein:
Vorsichtsmaßnahmen bei bestehendem Lymphödem sind:
Moderne Operations- und Bestrahlungstechniken sind darauf ausgerichtet, die Entstehung eines Lymphödems zu vermeiden. Es scheint, dass die Entwicklung eines Lymphödems auch von zusätzlich individuellen Faktoren abhängig ist.
Die Behandlung des Lymphödems besteht aus der Kombination von manueller Lymphdrainage und Kompressionsbehandlung. Die manuelle Drainage wird dabei nicht nur im Bereich der betroffenen Extremität durchgeführt. Es werden ebenfalls die für den Lymphabstrom zuständigen, im gesunden Bereich liegenden Lymphgefäße mit behandelt. Sehr wichtig ist eine Wiederholung der Griffe, sodass durch eine langsame, nur durch geringen Druck ausgeübte Gewebeverformung der Lymphflüssigkeitstransport angeregt werden kann. Eine Lymphdrainage darf nicht bei akuter Wundrose oder tiefer Beinvenenthrombose durchgeführt werden. Da durch die Lymphdrainage zum Teil erhebliche Flüssigkeitsmengen aus dem Gewebe wieder in den Blutkreislauf zurückgeführt werden, kann es zu einer erhöhten Belastung des Herzens kommen.
Bei einem leichten Lymphödem kann auf eine anschließende Kompression verzichtet werden. Bei ausgeprägtem Ödem findet zunächst eine Bandagierung statt. Sind stabile Verhältnisse erreicht, kann ein Kompressionsstrumpf angepasst werden. Dieser sollte von erfahrenen Fachkräften in einem Sanitätsfachgeschäft angemessen und individuell hergestellt werden. Es gibt unterschiedliche Strumpfgewebearten, je nach Druckkraft unterscheidet man die Stärken I-IV. Es stehen verschiedene Anziehhilfen zur Verfügung, die man sich im Sanitätsfachhandel ansehen sollte.
Bei leichteren Formen des Lymphödems kann ein Lymph-Tape angelegt werden. Dies ist eine besondere Form des Kinesio-Tapings. Durch eine bestimmte Klebetechnik der Tapes kommt es zu einer verbesserten Mikrozirkulation und Stimulation des Lymphflusses. Die eigene Bewegung unterstützt dann diesen Prozess.
Bestimmte Massage-Techniken, die nicht durchblutungsfördernd sind, kommen ebenfalls zur Anwendung (Marnitz-Massage, Reflexzonen-, Akupunktmassage)
Psycho-onkologische Betreuung kann hilfreich sein, um Strategien zum Umgang mit der Erkrankung und bestehenden Ängsten, Verbesserung der Selbstaufmerksamkeit, Achtsamkeit und verbessertes Stressmanagement zu erlangen.
Ausgewogene Ernährung, insbesondere Vermeidung von Übergewicht wirken sich positiv aus.
Medikamentös können Selen und proteolytische Enzyme (z.B. Bromelain) eingesetzt werden. Auch Flavonoide (sekundäre Pflanzenstoffe) und homöopathische Unterstützung kann genutzt werden.
Die Behandlung eines Lymphödems muss kontinuierlich und konsequent erfolgen. Ausgewogenes körperliches Training (Dauersportarten) wirkt sich positiv aus. Vorsichtsmaßnahmen sollten nicht als strenge Verbote verstanden werden. Alltags- und berufliche Belastung müssen Berücksichtigung finden.