Viele Krebspatientinnen und -patienten leiden unter Ein- und Durchschlafstörungen. Die Ursachen sind oft vielfältig – körperlich, seelisch oder medikamentös bedingt. Eine gezielte Diagnostik sowie psychologische Therapien wie die Kognitive Verhaltenstherapie (KVT) oder Akzeptanz- und Commitment-Therapie (ACT) helfen nachweislich. Durch bewährte Strategien wie Schlafrestriktion, Stimuluskontrolle und gesunde Schlafhygiene können Sie Ihre Schlafqualität nachhaltig verbessern. Erholsamer Schlaf stärkt Ihre körperliche Regeneration und seelische Widerstandskraft – und ist ein wichtiger Teil Ihrer onkologischen Behandlung.
Ganz gleich, ob Sie erste Fragen haben oder sich bereits in Behandlung befinden – wir stehen Ihnen zur Seite. Mit Kompetenz, Empathie und Verlässlichkeit begleiten wir Sie auf Ihrem Weg.
Schlafstörungen sind ein stark verbreitetes Phänomen im praktischen onkologischen Alltag. Wenn der Arzt fragt, geben viele Patient*innen an, dass sie Schwierigkeiten beim Ein- und Durchschlafen hätten, sich unausgeschlafen fühlten, und über Tag manchmal das Bedürfnis hätten, sich hinlegen oder ausruhen zu müssen. Die Gründe dafür können vielfältig sein: neben körperlichen Gründen auch seelische. Daher ist eine gute somatische Ausschlussdiagnostik dringend erforderlich.
Inzwischen hat die Psychotherapie gute und wirksame Methoden entwickelt, um Menschen auf ihrem Weg zu einem besseren Schlaf zu unterstützen. Insbesondere zeigt die aktuelle schlafmedizinische Forschung, dass insbesondere onkologische Patient*innen profitieren.
Dass Schlafen heilsam ist, wussten schon die alten Kirchenlehrer: “Sich etwas Gutes gönnen, weinen, sich einem Freund anvertrauen, die Wahrheit betrachten, baden und schlafen“, empfahl schon Thomas von Aquin (1224-1274) u.a. Schlaf als wohltuend, in dem Fall gegen Traurigkeit.
1. Diagnostik und Compliance
Es kann im klinischen Alltag passieren, dass man eher selten nach der Schlafqualität gefragt. Hier ist eine behutsame Anamnese wichtig, die auch die proaktive Abfrage von weithin als schwierig geltenden Themen oder Lebensumständen einschließt (z.B. abhängiges, süchtiges Verhalten). Es kann auch helfen, den „Schlafmangel“ zu entkatastrophisieren, da es sich in vielen Fällen um keinen messbaren, sondern vielmehr um einen subjektiven Ein- und Leidensdruck handelt. Auch werden häufig lieber somatische Begründungen gefunden und angegeben, da der Zugang zur Gefühlswelt schwierig erscheint. Dies bedeutet, dass Menschen mit gutem Schlaf und „Schlechtschläfer“ unterschiedliche Selbstauskünfte geben: Schlafgesunde zeigen eher die zuverlässigere Selbstauskunft. Menschen mit Schlafschwierigkeiten dagegen nehmen oft Qualität und Effizienz des Schlafes als schlechter wahr, als Messungen und Beobachtungen zeigen. Hier kann auch die Frage des so genannten Krankheitsgewinns im Raum stehen.
2. „Kandidaten“
Schlaf kostet Vertrauen. Wer schlafen kann, vertraut eher; wer schon durch eine schwere Diagnose wie Krebs eher emotional instabil ist oder „dünnhäutiger“, kann in Krisensituationen und durch entsprechende Vorerfahrungen eher anfällig für Schlafstörungen sein. „Vertrauen ist akzeptierte Verletzlichkeit“, sagte der amerikanische Psychologe Bandura dazu.
Schlechter Schlaf (oder medizinisch ausgedrückt „Insomnie“) ist stark verknüpft mit seelischen Problemen. Dazu gehören etwa affektive Störungen, z. B. einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS), Angst und depressive Symptome. Auch bei neurologischen Phänomenen (Demenz, Parkinson) oder bei (für die onkologischen Erkrankungen) eher typischen kognitiven Auffälligkeiten kommen Schlafprobleme häufig vor. Viele onkologische Patient*innen geben an, schlecht schlafen zu können; jeder Vierte ist als Folge der Krankheitsumstände schlafgestört. Zu schlechtem Schlaf können außerdem Medikamente und deren Nebenwirkungen oder Sucht führen. Schichtarbeit ist als Ursache ebenfalls gut erforscht.
3. Lieblingsscheiterstrategien
Bei der subjektiven Störung des Schlafes (ICD 10: Nichtorganische Insomnie F 51.0) handelt es sich oftmals um einen individuellen und subjektiven Eindruck. Er kann aber auch etwa durch Beobachtung eines Lebenspartners oder Ehefrau entstehen. Oft ist diese Art der Insomnie verbunden mit viel Leidensdruck oder auch kognitiven Defiziten u. ä.. In der Anamnese heißt es: Befragen, nachfragen, zuhören. Auch Trauma, die genaue aktuelle Situation, Vorannahmen und Glaubenssätze gilt es aufzuspüren. Ein gutes Diagnostikum kann ein Schlaftagebuch sein; der diagnostische Ausschluss einer körperlichen Ursache (z.B. durch Polysomnografie, Apnoe-Diagnostik) ist angezeigt. Doch dazu brauchen wir die Patient*innen: Den kranken Menschen „mit ins Boot holen“ ist manchmal eine der größten Herausforderungen der Schlafmedizin.
Denn vieles wissen Personen mit Ein- und Durschlafschwierigkeiten schon, was sie besser machen könnten: Die Verlockung oder Gewohnheit ist oftmals dennoch groß, z.B.
- nicht ins Bett zu gehen, wenn man schon müde ist
- am Handy zu „daddeln“
- Mittagsschläfchen zu halten
- Das „Gläschen Wein“ am Abend zu trinken
- Horrorfilme zu schauen
- sich zu ärgern
- sich unter Druck zu setzen
- nochmal eben diese Mail zu beantworten….
4. Therapeutische Herangehensweise und Strategien
Sehr gut beforscht und mit guten Ergebnissen bieten sich die Interventionen der Kognitiven Verhaltenstherapie (KVT) an. Im Wesentlichen arbeitet diese mit Schlafrestriktion, also eine Beeinflussung von Dauer und Zeitpunkten und darüber der Qualität, Erholsamkeit und Verteilung der unterschiedlichen Schlafphasen.
Ein weiterer Weg ist, die Bedingungen, unter denen man schläft, zu verändern (Stimuluskontrolle). Über Psychoedukation Konditionen für guten Schlaf zu erlernen und sich persönlich weiter zu entwickeln, kann hilfreich sein: In einer therapeutischen Gruppe lernt es sich noch besser.
Schlafrestriktion:
Mit Hilfe von Psychoedukation kann man die gewöhnlichen Schlaffenster feststellen; Lerche (also Frühaufsteher) oder Eule (Spät-zu-Bett-Geher) sind in der Bevölkerung normalverteilt. Findet man seine Wohlfühleinschlafzeit in behutsamer Anamnese heraus, und berechnet die durchschnittliche Aufstehzeit, so kann man über einen bestimmten Zeitraum feste Bettzeiten entwickeln und nach verabredetem Schema eingekürzte Schlafzeiten üben (aber nicht weniger als 270 Minuten). Damit soll der Schlafdruck erhöht werden, so dass das Einschlafen leichter fällt. So wird auch deutlich, weshalb von „Mittagsschläfchen“ abgeraten wird, auch wenn es manchmal den onkologischen Patient*innen (v.a. bei Fatigue) schwer fällt.
Schlafhygiene und Stimuluskontrolle:
In diesem Kontext appellieren die Schlafmediziner und –therapeuten für den Verzicht auf Alkohol und Koffein (bis zu 11 Stunden vor der Schlafenszeit). Die Umwelt und Schlafbedingungen sollten nicht zu laut oder hell sein. Schweres Essen ist ebenso wenig hilfreich wie blaues Licht. Besonderes Augenmerk sollte man auf den Schlafort legen: Das Bett sollte nur zum Schlafen da sein oder für Zärtlichkeiten oder Sex genutzt werden. Es sollte auch kein Ort zum Arbeiten, für (langes) Lesen, essen, fernsehen oder rauchen sein.
Die Stimuluskontrolle besteht auch darin, die Uhrzeit nicht zu kontrollieren. Das bedeutet, beim nächtlichen Erwachen möglichst nicht auf die Uhr zu schauen. Als hilfreich haben sich auch folgende Verhaltensweisen erwiesen: Sich feste (Einschlaf-)Rituale und feste Abläufe zu schaffen hat eine Signalwirkung auf den Körper. Aus diesem Grund sind auch ein Mittagsschlaf oder „Vorschlafen“ vor dem Fernseher nicht zu empfehlen.
Akzeptanztherapie (ACT-Therapie):
Akzeptanz und Commitment (Annahme und Einlassen) bedeuten, Gedanken und Gefühle im Alltag zu akzeptieren, z. B. dass man eine schlechte Nacht hatte. Meist gibt es einfache Erklärungen: Beunruhigung durch schlechte Nachrichten, Angst und Sorge usw. Dann ist verständlich, dass der Schlaf gestört ist. Akzeptiert man diesen Zustand und arbeitet therapeutisch an den emotionalen Phänomenen oder vertraut darauf, dass der Zustand nur vorübergehend sein kann, erlebten dies Patient*innen als unterstützend. Die Akzeptanztherapie lädt dazu ein, Chancen zu ergreifen. Ihr wohnt wie der Kognitiven Verhaltenstherapie der Gedanke inne, dass die Zeiten, in denen nicht geschlafen wird, über die Qualität des Schlafes bestimmen. Kurz: Je glücklicher, zufriedener und sinnvoller betroffene Menschen den Tag erleben, umso besser schlafen sie. Hier ist bewusst ein anderer Ausdruck gewählt: Es macht einen Unterschied, ob man sich als Patient*in fühlt oder als Ehrenamtler, Großmutter oder Autor. Werte wählen, engagiert handeln, Selbst- und Fremdbild zur Deckung bringen oder auch Glaubenssätze notwendigerweise revidieren (wie z.B. „Ich bin ein schlechter Schläfer“) kann ein Schlüssel zu einem guten Schlaf sein.
In diesen Koffer gehören also:
5. Taktik
Medikamentöse Therapie: Laut Leitlinie DGSM (Deutsche Gesellschaft für Schlafmedizin) sei die Medikamentengabe nicht erste Wahl. Jedoch ist sie manchmal (passager) indiziert (z.B. bei einem Klinikaufenthalt oder ähnliches) und sie ist notwendig, um Entzügigkeiten bei Abhängigkeiten oder einer psychiatrischen Diagnose zu vermeiden. Da sie Sucht verursachen können, ist insbesondere Vorsicht geboten bei Psychopharmaka zum „Schlafen“, die Z-Drugs genannt werden. Sie sind Benzodiazepinen wirkverwandt.
6. Hat´s genutzt?
Es kann sein, dass Patient*innen diese therapeutischen und psychologischen Strategien sehr einfach, ergo sicher wirkungslos erscheinen. Sicher ist und die Studien sprechen dafür: Ganz vergeblich ist es nie. Etwa 3 Viertel der Patient*innen profitieren direkt oder indirekt von den Interventionen. Die Selbstwirksamkeit wird gestärkt und eventuell gewöhnt sich der eine oder andere ungünstige Muster oder Laster ab (Entwöhnung en passent). Manch einer findet ein neues Hobby oder neue Bekanntschaften oder auch mehr Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten. Wichtige Selbsterfahrungen sind nicht zu unterschätzen. Gut schlafen kann man also im besten Falle lernen: Sie können ganz viel dazu tun. Denn Schlafen ist gesund, sowohl körperlich notwendig als der seelischen Verarbeitung förderlich. Was Sie am Tag machen, entscheidet über die Qualität des Schlafes und damit darüber, mit welcher Vitalität und Stimmung jemand im Leben steht.
7. Quellen und interessante Links
Binder/Schöller/Weeß (2024), Schlafstörungen – Therapietools. KVT bei Insomnie (2024)
Kognitive Verhaltenstherapie für Insomnie (KVT-I) 2024,
21.–23. November 2024 • Digital
Ärztliche Weiterbildung (online) d. Universität Freiburg (Präsentationen u. Videos)
https://www.apotheken-umschau.de/gesund-bleiben/schlaf/sleepmaxxing-welche-schlaf-tipps-helfen-wirklich-1193597.html
S. Wolf (2025)
Therapie mit ganzheitlichem Ansatz
Die Behandlungsmöglichkeiten bei Krebserkrankungen haben sich in den letzten Jahren deutlich weiterentwickelt – diese Erkenntnisse integrieren wir konsequent in unsere Therapiepläne. Durch die Kombination aus moderner Schulmedizin und ergänzenden Verfahren bieten wir Ihnen ein ganzheitliches, individuell zugeschnittenes Behandlungskonzept.