Nach der Operation einer Brustkrebserkrankung erfolgt eine genaue feingewebliche histopathologische Untersuchung des Tumorgewebes. Diese dient nicht nur dazu, die Ausdehnung der Erkrankung zu ermitteln, sondern gibt Auskunft über die spezifischen Eigenschaften der vorhandenen Tumorzellen. Damit kann eine Behandlung genau auf die persönliche Erkrankung „zugeschnitten“ werden und eine entsprechende Therapieempfehlung erfolgen.
Tragen Tumorzellen auf ihrer Oberfläche Hormonrezeptoren für weibliche Geschlechtshormone (Östrogen und Progesteron), können diese Hormone das Wachstum der Tumorzellen beeinflussen. Brustkrebszellen entwickeln sich aus ganz normalen Brustdrüsenzellen. Der hormonelle Einfluss ist ein natürlicher Vorgang und die Einwirkung kann jede Frau während ihres Menstruationszyklus oder besonders in der Stillzeit deutlich wahrnehmen.
Die Bildung der weiblichen Geschlechtshormone erfolgt in den Eierstöcken. Gesteuert wird die Produktion durch ein übergeordnetes Zentrum: die Hypophyse. In und nach den Wechseljahren nimmt die Produktion der Geschlechtshormone, vor allem die Östrogenproduktion in den Eierstöcken ab, das Klimakterium (Wechseljahre) beginnt. Diese hormonellen Veränderungen ziehen sich über einen längeren Zeitraum hin und können zu Beschwerden wie Hitzegefühl, Schweißausbrüchen, Gewichtsveränderungen, Muskel- und Gelenkbeschwerden, Trockenheit von Haut und Schleimhäuten sowie Stimmungslabilität führen. Auch das sexuelle Lustempfinden verändert sich. Die Intensität der Beschwerden ist von Frau zu Frau sehr unterschiedlich. Während manche Frauen von geringer bis gar keiner Belastung sprechen, klagen manche über gravierende Probleme, die die Lebensqualität erheblich belasten. Immer wieder wird diesen Frauen eine sogenannte Hormonersatztherapie angeboten, d.h. weibliche Sexualhormone werden medikamentös verabreicht, um die Symptome zu unterdrücken. Das Brustdrüsengewebe, welches ja natürlicherweise Hormonrezeptoren trägt, aber auch Tumorzellen, die Rezeptoren tragen, werden dadurch in ihrem Wachstumsverhalten beeinflusst und stimuliert. Aus diesen Gründen ist eine Hormonersatztherapie bei hormonabhängigen Tumoren kontraindiziert und sollte auch sonst nur nach strenger Indikation erfolgen. Klimakterische Beschwerden entstehen also durch Veränderung der hormonellen Aktivität in unserem Organismus und sind ein physiologischer Prozess. Interessanterweise gibt es große kulturelle Unterschiede bzgl. der Symptome, so kommen sie beispielsweise im asiatischen Raum kaum vor. Bilden die Eierstöcke schließlich keine Östrogene mehr, geschieht dies in anderen Geweben (Muskel- und Fettgewebe) mit Hilfe des Enzyms Aromatase, allerdings in viel niedrigerer Konzentration.
Weisen Tumorzellen also Hormonrezeptoren auf, wird ihr Wachstum durch Östrogene stimuliert. Daher kann hier therapeutischer Einfluss durch eine Antihormonelle Therapie genommen werden. Verschiedene Prinzipien sind zur Behandlung möglich:
Die Indikation einer hormonellen (endokrinen Therapie) richtet sich also nach den biologischen Eigenschaften der Tumorzelle. In Abhängigkeit des primären Tumorstadiums stellt sie ein wichtiges Therapieprinzip dar, um Rezidive oder Metastasierung zu verhindern. Aber auch bei fortgeschrittener Erkrankung kann sie weiteres Wachstum eingrenzen und damit unsere eigenen tumorzellvernichtenden Systeme positiv unterstützen. Die Auswahl der Medikation richtet sich in erster Linie nach dem Menopausenstatus, d.h. nach der vorhandenen eigenen Hormonaktivität der Patientin. Die Einnahme erfolgt über Jahre, evtl. wird ein Wechsel der Stoffgruppe empfohlen (switch).
Alle gegebenen Stoffgruppen führen, wie oben angegeben, zu sogenannten klimakterischen Beschwerden (Wechseljahresbeschwerden), allerdings in sehr unterschiedlicher Intensität. Die LHRH-Analoga Gabe, die bei Frauen vor der Menopause zusammen mit Tamoxifen eingesetzt wird, führt oft zu sehr deutlichen Beschwerden dieser Art. Nach den Wechseljahren treten sie weniger intensiv auf, da der physiologische Hormonentzug schon eingesetzt hat. Tamoxifen kann das Risiko an Gebärmutterkarzinom zu erkranken erhöhen, da die Östrogenstimulation auf die Gebärmutterschleimhaut erhalten bleibt. Daher sind regelmäßige gynäkologische Untersuchungen notwendig, um Veränderungen frühzeitig zu bemerken. Auch ist unter Tamoxifengabe das Thromboserisiko erhöht, eine schon durchmachte Thrombose stellt daher eine Kontraindikation dar. Eine augenärztliche Überwachung ist ebenfalls angezeigt. Aromatasehemmer und LHRH
Analoga führen aufgrund des Öestrogenentzugs zur Förderung einer Osteoporose. Aus diesem Grund sollten präventiv Kalzium und Vitamin D3 verabreicht werden. Eine Knochendichtemessung wird empfohlen, um je nach Befund ggf. weitere Osteoporose Medikamente einzusetzen. Aromatasehemmer führen häufiger als Tamoxifen zu Trockenheit von Haut- und Schleimhäuten sowie Gelenk- und Muskelbeschwerden, die so ausgeprägt sein können, dass die Beweglichkeit eingeschränkt ist. Stimmungsschwankungen bis zur Depression können ähnlich wie im natürlichen Klimakterium eintreten.
Besteht die Indikation zur Antihormonellen Therapie, muss selbstverständlich vorab geprüft werden, welches Therapieprinzip geeignet ist. Begleitende Erkrankungen oder gleichzeitige Einnahme anderer Medikamente (z.B. Antidepressiva) müssen beachtet werden. Gerade die befürchteten psychischen Veränderungen sollten berücksichtigt werden und eine individuelle Aufklärung erfolgen. Gute Information und das Verständnis über die durchzuführende Behandlung und ihren Sinn tragen erheblich dazu bei, dass keine oder nur wenigen begleitenden Beschwerden auftreten. Erfolgt die Diagnosestellung in der Zeit der biologischen Wechseljahre, sind die klimakterischen Beschwerden nicht allein Folge der Medikation.
Unsere begleitenden Therapien sind gut geeignet, die Verträglichkeit der antihormonellen Therapie zu verbessern, damit die Lebensqualität nicht eingeschränkt ist. Es stehen medikamentöse naturheilkundliche Behandlungen zur Verfügung, wie Phytotherapie (Lavendel, Salbei, Traubensilberkerze), pflanzliche Rheumamittel bei Gelenkbeschwerden (Phytodolor®, Teufelskralle) oder pflanzliche Enzyme (Bromelain, Papain). Vitamin D3 und Kalzium Gabe beugen nicht nur Osteoporose vor, sondern sind auch sekundärpräventiv wirksam. Haut und Schleimhautpflege wird beachtet. Aromatherapie, Homöopathie und Akupunktur können zum Einsatz kommen. Manchmal kommen auch Antidepressiva, angepasst an die Medikation, zum Einsatz. Bei hormonabhängigen Tumoren muss immer darauf geachtet werden, dass auch manche naturheilkundlichen Behandlungen stimulierend und damit wachstumsfördernd sein können (z.B. Phytoöstrogen).
Speziell ausgebildete Krankenschwestern (breast care nurses) beraten Sie ausführlich und vermitteln Kenntnisse über viele Möglichkeiten, den Alltag zu erleichtern.
Ein spezielles Imaginationstraining bei klimakterischen Beschwerden (IKB) wird angeboten.
Bewegungstraining, auch Sole-Bewegungsbäder, Konditionstraining, muskelkräftigende Übungen werden unterstützend durchgeführt. Besondere Massagetechniken (Reflexzonenmassagen, Aromamassagen, Marnitz-Massagen) verbessern die Symptomatik.
Die Zusammensetzung der Ernährung kann Einfluss auf die Ausprägung der Beschwerdesymptomatik haben. So erfolgt hier eine individuelle Beratung in Fragen der Nahrungsmittelauswahl, aber auch in Bezug auf die Ernährungspsychologie.
Die Psychoonkologische Betreuung kann mit ihrem umfangreichen Angebot (Einzelgespräche, Gruppentherapie, Körperwahrnehmung, Ausdrucksmalen, Kunst- und Tanztherapie) gerade die seelischen und psychischen Belastungen reduzieren. Viele Frauen erleben die Brustkrebserkrankung und deren Folgen als gravierende Veränderung ihrer Weiblichkeit. Das Körpergefühl verändert sich, die antihormonelle Therapie kann zu Verminderung der Libido führen und trockene Schleimhäute im Genitalbereich können den Geschlechtsverkehr beeinträchtigen. Sexualität ist in unserer Gesellschaft oftmals ein tabuisiertes Thema, so dass den Patientinnen der Mut fehlt, Beratung und Hilfe einzufordern. Psychoonkologische Unterstützung kann dazu beitragen, Vertrauen in den eigenen Körper wiederzuerlangen. Ängste können abgebaut werden, so dass wieder Lust am eigenen Körper empfunden wird und das eigene sexuelle Erleben neu erfahren wird.
Krankheitsverarbeitung und Therapieakzeptanz stellen die Grundlage dar, eigene Ressourcen zu optimieren und fördern einen „gesunden“ Lebensstil. Entspannungsverfahren können erlernt werden (Tai Chi, PMR, Yoga).
Gerade das Zusammenwirken vieler Behandlungsmöglichkeiten unter ganzheitlicher Betrachtungsweise ermöglicht eine langfristige Stabilität und damit auch einen nachhaltigen Therapieerfolg.