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Wenn der Schmerz unsichtbar wird: Verständnis für somatoforme Schmerzstörungen

Die Erfahrung von Schmerz kann vielschichtig sein und sich auf unterschiedliche Weisen äußern. Manchmal jedoch sind Schmerzen nicht auf eine offensichtliche körperliche Ursache zurückzuführen und werden als somatoforme Schmerzstörungen bezeichnet.

Veröffentlicht am 24. Juni 2024

Verständnis für somatoforme Schmerzstörungen

Wie Schmerz entsteht

Der Schmerz hat seinen Ursprung nicht unbedingt an der Stelle, an der er wahrgenommen wird. Während sich die Schmerzrezeptoren, auch bekannt als "Schmerzfühler", an den betroffenen Stellen befinden, übermitteln sie lediglich Signale entlang der Schmerzbahnen zum Gehirn. Auf diesem Weg können Schmerzsignale an bestimmten Knotenpunkten verstärkt werden, wobei dieselben Bahnen von verschiedenen Körperbereichen genutzt werden. Dies kann es dem Gehirn erschweren, die Schmerzen einer spezifischen Körperregion zuzuordnen; beispielsweise kann ein Herzinfarkt durch Schmerzen im Schulterbereich wahrgenommen werden. Die Verarbeitung der Schmerzsignale im Gehirn bestimmt letztendlich die Intensität des Schmerzempfindens.

Manchmal haben wir das Gefühl, als stecke ein Kloß in unserem Hals. Oft geht derartiges Unwohlsein von allein wieder vorüber. Wenn es aber längere Zeit besteht und keine organische Ursache hat, kann es sich dabei um eine somatoforme Störung handeln.

Was sind somatoforme- & Schmerzstörungen?

Menschen mit Somatoformen oder Schmerzstörungen zeigen körperliche Symptome, die nicht durch nachweisbare organische Ursachen erklärt werden können. Sie suchen oft wiederholt ärztliche Hilfe, jedoch ohne klare Diagnose. Etwa 20 Prozent der Arztbesuche können auf somatoforme Erkrankungen zurückgeführt werden.

Typische Symptome sind:

  • Schmerzsymptome wie z.B. Muskelschmerzen, Rückenschmerzen, Gelenkschmerzen, Kopfschmerzen, 
  • Magen- und Darmsymptomen wie z.B. Übelkeit, Völlegefühl, Durchfall/Verstopfung,
  • weitere Beschwerden mit neurologischem Erscheinungsbild wie z.B. Lähmungssymptome, Taubheitsgefühle,
  • urogenitalem Erscheinungsbild wie z.B. Reizblase, Harnverhalten,
  • oder Herz-Kreislauf-Erscheinungsbild wie z.B. Brustschmerzen, Atemlosigkeit im Ruhezustand.

Auslöser für somatoforme- und Schmerzstörungen

Somatoforme Störungen sind oft das Ergebnis eines komplexen Zusammenspiels verschiedener Faktoren. Der Verlauf dieser Erkrankung ist häufig langwierig und wird oft als frustrierend empfunden, da viele Arztbesuche keine zufriedenstellenden Antworten liefern. Es dauert oft Jahre, bis Betroffene eine angemessene Behandlung erhalten. Obwohl oft kein spezifischer Auslöser identifiziert werden kann, lassen sich verschiedene Risikofaktoren benennen:

  • Genetische und neurobiologische Faktoren
  • Langanhaltende Belastungen und ungünstige Lebensumstände in der Kindheit und Jugend
  • Belastende Lebensereignisse wie Arbeitslosigkeit, finanzielle Not, Statusverlust, Trennung, Unfälle, Mobbing, Verlust von nahestehenden Personen oder komplizierte Operationen
  • Erfahrung schwerer Erkrankungen oder Krankheitsfälle in der Familie
  • Schwere körperliche Erkrankungen mit langwierigem Verlauf

Auswirkungen von somatoformen- und Schmerzstörungen

Die Verläufe dieser Erkrankungen sind meist langwierig und schwierig. Darüber hinaus entstehen hohe direkte Behandlungskosten durch zahlreiche Arztbesuche verschiedener Spezialisten. Die Suche nach alternativen, nicht evidenzbasierten Therapien ohne Kostenerstattung durch die Krankenkassen verschärft die finanzielle Belastung zusätzlich. Dies führt oft zu einem erheblichen Verlust der Lebensqualität, einer Abnahme der Leistungsfähigkeit und Arbeitsunfähigkeit sowie sozialem Rückzug.

Diagnose somatoformer Störungen

Für eine umfassende Diagnose somatoformer Störungen ist zunächst eine gründliche körperliche Untersuchung mit apparativer Diagnostik und Laboruntersuchungen erforderlich, um organische Erkrankungen auszuschließen. Zudem ist die Erfassung biografischer und psychosozialer Belastungsfaktoren in einer psychologischen Anamnese unverzichtbar. Dabei sollten auch berufliche und private Einschränkungen im Zusammenhang mit den Beschwerden erfasst werden. Eine offene Selbstauskunft der Betroffenen kann hierbei einen wesentlichen Beitrag leisten.

Wie kann eine somatoforme Schmerzstörung behandelt werden?

Eine erfolgreiche Therapie hängt grundlegend von einem stabilen Vertrauensverhältnis zwischen Patienten und Arzt ab. Besonders der Hausarzt spielt dabei eine Schlüsselrolle, da er nicht nur Behandler ist, sondern auch als Vermittler zu Fachärzten und Physiotherapeuten sowie als Motivator für Entspannungs- und Sporttraining fungiert. Um ein Verständnis für psychosomatische Vorgänge zu fördern, sollte der Arzt dem Patienten die Zusammenhänge von Psyche und Körper erläutern.

Die Behandlung somatoformer Störungen richtet sich nach dem individuellen Beschwerdebild und der Diagnose. Neben der Reduktion körperlicher Symptome ist es wichtig, Ziele wie die Verbesserung der Entspannungsfähigkeit zu verfolgen. Entspannungstechniken wie therapeutisches Schreiben, Meditation, Achtsamkeitstraining, Yoga und Autogenes Training können leichte Symptome lindern.

Bei hartnäckigeren Beschwerden kombiniert man psychosomatische Medizin und Psychotherapie, um seelische Konflikte aufzuspüren und mit den somatischen Störungen in Zusammenhang zu bringen. Physiotherapie kann dabei helfen, belastende körperliche Symptome zu verbessern. Medikamente kommen nur bei schweren Symptomen zum Einsatz, und komplexere Fälle werden stationär in psychosomatischen Kliniken behandelt.

Es ist nicht immer möglich, sämtliche Symptome zu beseitigen. Daher ist es wichtig, dem Betroffenen zu vermitteln, nicht jede wahrgenommene Körperfunktion als Krankheitssymptom zu interpretieren. Ziel ist es, die bestmögliche Lebensqualität zu erreichen und zu erhalten.

Indikation für eine psychosomatische Rehabilitation

Für eine rehabilitative Behandlung ist es entscheidend, dass sowohl Rehabilitationsbedürftigkeit als auch -fähigkeit gegeben sind. Rehabilitationsbedürftigkeit liegt vor, wenn schwerwiegende Einschränkungen im körperlichen und psychischen Bereich vorliegen, die eine normale Teilhabe am gesellschaftlichen Leben beeinträchtigen. Rehabilitationsfähigkeit wird erreicht, wenn der Schweregrad der Symptome eine stationäre Behandlung ermöglicht. Eine stationäre Therapie ist besonders angezeigt, wenn ambulante Optionen erschöpft sind, Komorbiditäten vorliegen oder ein chronischer Verlauf ohne Besserungstendenzen besteht.

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