Der Hodenkrebs ist ein insgesamt zwar seltener Tumor, aber bei Jugendlichen und jungen Männern ist es die häufigste bösartige Krebserkrankung. In Deutschland wird er jährlich ca. 4000 Mal neu diagnostiziert. Im Durchschnitt sind die Betroffenen zwischen 20 – 40 Jahre alt, aber es erkranken auch Jungen in sehr frühem Alter, selten auch sehr betagte Männer daran. Insgesamt haben die Hodentumor-Erkrankten eine sehr gute Prognose. Heute versterben nur sehr wenige Patienten daran.
Das Leitsymptom ist die schmerzlose Hodenvergrößerung, oft können derbe Knoten getastet werden. Risikofaktoren: Gefährdet sind Jungen oder Männer, bei denen die Hoden nicht vor oder kurz nach der Geburt aus der Leistengegend in den Hodensack gewandert sind, also ein sogenannter Hodenhochstand oder Maldescensus testis vorlag, und zwar offensichtlich unabhängig davon, ob dies später behandelt wurde. Eine Fehlmündung der Harnröhre unterhalb der Eichel (Hypospadie) weist ebenfalls auf ein erhöhtes Hodenkrebsrisiko hin. Des Weiteren scheint es eine familiäre, vererbte Neigung zum Hodenkrebs zu geben. So ist es sinnvoll, dass Jungen/junge Männer über einen früheren Hodenhochstand und über Hodenkrebs Erkrankungen in der Familie informiert sind, so können sie durch regelmäßiges Abtasten der Hoden, am besten monatlich, Veränderungen entdecken und sich frühzeitig dem Urologen als zuständigem Facharzt vorstellen. Hier versucht man durch Abtasten, Ultraschalluntersuchung, ggf. ergänzt durch Computertomografie von Bauch und Lunge, sowie Blutuntersuchungen mit Bestimmung von Tumormarkern zu einer Diagnose zu kommen. Die Tumormarker-Bestimmung wird heute auch zur Risikobestimmung und Stadieneinteilung von Hodentumoren sowie zur Beurteilung von Behandlungserfolgen und in der Nachsorge verwendet.
Wenn sich der Verdacht auf einen bösartigen Hodentumor bestätigt hat, wird nach den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Urologie behandelt, in der Regel eine operative Entfernung des betroffenen Hodens (Ablatio testis oder Orchidektomie) durchgeführt, manchmal wird erst durch eine Schnellschnitt-Untersuchung während der Operation die Diagnose durch den Pathologen bestätigt. Die feingewebliche Untersuchung (Histologie) zeigt auf, aus welchen Zellen sich der Hodenkrebs entwickelt. Da in den Hoden hauptsächlich Keimzellen vorhanden sind, finden sich in 95 % der Fälle Keimzelltumoren, die in sogenannte Seminome und Nicht-Seminome unterteilt werden. Das ist wichtig, da diese eine unterschiedliche Neigung aufweisen, in die Lymphbahnen oder in den Körper zu streuen und auch unterschiedlich auf eine Bestrahlung oder Chemotherapie reagieren. Seminome streuen meist weniger schnell, sind gut strahlenempfindlich – die Nicht-Seminome reagieren gut auf eine Chemotherapie (Ausnahme sind die sogenannten Teratokarzinome, die weder gut auf Bestrahlung noch Chemotherapie ansprechen). Selten gehen Tumore des Hodens vom Binde- und Stützgewebe aus, am häufigsten sind in dieser Gruppe Tumoren, die sich aus Leydigzellen entwickeln (diese Zellen produzieren Testosteron, das männliche Geschlechtshormon).
Während der Ablatio testis – Operation wird auch der Gegenhoden mit untersucht und ein kleines Gewebsstück entnommen (Biopsie), um festzustellen, ob auch hier Vorstufen (sogenannte testikuläre intraepitheliale Neoplasien = TIN) oder sogar ein zweiter Hodentumor vorliegen; denn das Vorliegen eines Hodentumors ist immer auch ein Risikofaktor für den Befall des Gegenhodens. Wurden bei den Voruntersuchungen vergrößerte Lymphknoten nachgewiesen oder ist die Erkrankung fortgeschritten, wird eine Entfernung aller Lymphknoten, die in der Abflussbahn des Hodens im hinteren Bauchraum liegen, durchgeführt.
Je nachdem, welches Stadium sich in der Zusammenschau von Tumorgröße, Lymphknoten Befall, Einbruch von Tumorzellen in Lymph- und Blutbahn ergibt, ergänzt durch den Blutspiegel der Tumormarker-Bestimmung, werden weitere, sogenannte adjuvante (d. h. vorbeugende) Therapien vorgeschlagen oder nur eine engmaschige Kontrolle gewählt, um rechtzeitig Rückfälle (Rezidive) der Erkrankung zu entdecken und einer entsprechenden Behandlung zuzuführen; denn in frühen Stadien sind die meisten Patienten mit einer Operation bereits geheilt. Bei Seminomen wird zum Beispiel eine Bestrahlung, bei Nicht Seminomen eine Chemotherapie, im Stadium I alternativ die o.g. Lymphknotenentfernung vorgeschlagen.
Da alle Behandlungen spezifische Auswirkungen/Nebenwirkungen haben, ist eine gute Beratung und Aufklärung vor jedem Therapieschritt sehr wichtig. Nach einer Hodenentfernung kann eine Silikonprothese eingesetzt werden – hier ist der richtige Zeitpunkt zu besprechen. Vor jeder Therapie muss über die Möglichkeit gesprochen werden, Chancen auf eigene Kinder zu wahren; denn die Fertilität (Fruchtbarkeit) kann durch verschiedene Maßnahmen gestört oder sogar genommen werden. Samen können aufbewahrt werden (hier sind oft Kinderwunschzentren die Ansprechpartner und beraten auch über die Finanzierung einer solchen Maßnahme, die bisher nicht von den Krankenkassen übernommen werden). Wenn keine zeugungsfähigen Spermien im Samenerguss enthalten sind, können während der Operation Spermien aus dem Hoden entnommen werden zur Aufbewahrung. Vor der Operation wird der Testosteronspiegel bestimmt, damit bei Befall beider Hoden eine notwendige Hormonersatz-Therapie gut eingestellt werden kann. Bei den noch jungen Patienten ist auch das Gespräch über Langzeitfolgen der vorgeschlagenen Therapien wichtig, hier ist immer eine langfristige Nachsorge Kontrolle sinnvoll.
Weiterführende Information finden Sie auch bei der Deutschen Krebshilfe im Internet unter www.krebshilfe.de sowie bei der Patienteninformation Deutsches Krebsforschungszentrum Heidelberg unter www.dkfz.de oder www.krebsinformationsdienst.de. Zu Fragen bezüglich der Fertilität nach Operation, Bestrahlung und Chemotherapie: www.fertiprotect.com oder allgemein über die Deutsche Gesellschaft für Andrologie www.dg-andrologie.de.
Da Hodentumore selten sind, ist manchmal das Einholen einer Zweitmeinung zum vorgeschlagenen Therapieweg sinnvoll, hierzu www.zm-hodentumor.de.
Die Aufnahme kann im Rahmen einer Anschlussheilbehandlung nach Abschluss der Therapie (Operation, evtl. Chemotherapie und Bestrahlung) erfolgen – den Antrag stellt in der Regel der Sozialdienst des urologischen Zentrums, der Onkologe oder der Radiologe, als Reha-Maßnahme, stationäre Weiterbehandlung oder im Rahmen eines stationär palliativen Aufenthaltes.
Es kann im Rahmen des Aufenthaltes in der Habichtswald-Klinik eine Chemotherapie begonnen bzw. fortgesetzt werden. Es besteht die Möglichkeit, eine Zweitmeinung zu vorgeschlagenen Therapien einzuholen.
Unser Behandlungskonzept verfolgt einen ganzheitlichen Weg, d. h. Körper, Geist und Seele werden gleichermaßen angesprochen und unterstützt. Die Konfrontation mit der Krebsdiagnose, die Erfahrungen während der Therapie, die Zweifel und Ängste sind genauso zu berücksichtigen wie körperliche Beschwerden als Folge der Operation, Bestrahlung oder Chemotherapie. So soll durch unsere Behandlungsangebote eine Verbesserung der Leistungsfähigkeit und der Lebensqualität erreicht werden. Viele Therapieangebote aus der Ganzheitsmedizin zielen nicht direkt auf die Zerstörung von Tumorzellen, sondern stärken die körpereigenen Kräfte und fördern die Gesundung.
Das durch die vorausgegangenen Therapien geschwächte Immunsystem soll gezielt gestärkt werden, auch hier kommen parallel verschiedene Verfahren zur Anwendung aus dem Bereich der Psychoonkologie, Krankengymnastik und Massage, ergänzt durch gesunde vollwertige Ernährung.
Die Ernährung ist ein wesentlicher Bestandteil einer ganzheitlichen Therapie. Es gibt keine gezielte Krebsdiät, die den Tumor beseitigen könnte, aber durch eine gesunde Ernährung kann viel zur Stärkung des Körpers beigetragen werden. Dabei muss die Krankheitsgeschichte des Patienten berücksichtigt werden. Deshalb bieten wir verschiedene Formen einer vollwertigen Ernährung, aber auch alle medizinisch erforderlichen Diäten an. Darüber hinaus können Patienten in unserem Haus die ayurvedische Ernährung kennenlernen. Die Ernährungsberater bieten regelmäßige Vorträge zu den unterschiedlichen Kostformen an, bei Bedarf erfolgt eine individuelle Ernährungsberatung.
Als Nebenwirkung der eingesetzten platinhaltigen Chemotherapien kann es zu Empfindungsstörungen im Bereich der Hände und Füße kommen, einer sog. Polyneuropathie. Hier kann eine konsequente ergotherapeutische Behandlung in Verbindung mit Elektrotherapie (Iontophorese mit Vitamin B Gel) gute Symptomlinderung und Rückbildung ermöglichen.
Das Thema Sexualität und Krebs ist uns wichtig. Insbesondere nach einer Lymphknotenentfernung kann es trotz Nerv erhaltender Operationstechnik zu Ejakulationsstörungen kommen. Ein normales Liebesleben ist dennoch möglich, manche Männer sind aber durch den ausbleibenden Samenerguss verunsichert, fühlen sich nicht mehr als vollwertiger Mann. Hier ist oft allein das Zur-Sprache-Bringen entlastend. Im vertrauensvollen Gespräch mit ihren Ärztinnen/ihrem Arzt sowie mit den Psychotherapeutinnen können viele Fragen geklärt werden.
Im Rahmen der Tumorbehandlung leiden viele Patienten unter einem Fatigue-Syndrom, d. h. einer Müdigkeit, Antriebslosigkeit, die nicht durch vorausgegangene Betätigungen erklärt werden kann. Hier ist neben Informationsvermittlung eine gut angeleitete Bewegungstherapie sowie eine psychoonkologische Begleitung hilfreich, evtl. ergänzt durch komplementäre Gabe von Carnitin, CoEnzymQ10 Ginseng oder eines Rosenwurzpräparates.
Bei der Diagnose Krebs taucht bei vielen Patienten die Frage nach dem Sinn auf. Hier bietet unsere Klinik einzigartige Möglichkeiten, auf freiwilliger Basis verschiedene Angebote zu nutzen, um sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen. Hierzu gehören vorbereitend Entspannungsverfahren und ein nicht konfessionell gebundenes spirituelles Angebot. Zur Wiedererlangung der eigenen Kräfte und Freude am eigenen Schaffen bieten wir zur freiwilligen Teilnahme ein kreatives Angebot.
Patienten, die mit fortgeschrittenen Tumorerkrankungen in unser Haus kommen, werden umfassend und vertrauensvoll über das Für und Wider jedes Behandlungsschrittes sorgfältig in Gesprächen zwischen Arzt und Patient aufgeklärt.
Die Behandlung von Schmerzen ist vorrangiges Ziel einer interdisziplinären Arbeitsgruppe von Ärzten, Pflegekräften, Therapeuten und Psychoonkologen.